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Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka

Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka

Titel: Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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zur öden Gewohnheit wurde und MrGaunt endlich eine Gelegenheit fand, seine alten Fähigkeiten auf die Probe zu stellen. Mr   Haddo, welcher der Kopf der drei Entführer zu sein schien, schlief. Ohne zu ahnen, dass sich seine eigene Frau unten in Molloy’s Warehouse befand, gelang es Mr   Gaunt, die Schlinge eines Schnürsenkels um die Schraube seiner antiquierten Handschellen zu legen und so lange daran zu ziehen, bis sich wie durch ein Wunder die Arretierung löste. Die Schellen sprangen auf und das Einzige, was ihm noch zu tun blieb, war, den Käfig aufzusperren.
    Das war schwieriger. Zum Glück war Mr   Gaunt, wie sein Held Harry Houdini, klein und beweglich, sodass er sich fast durch die Gitterstäbe zwängen konnte. Aber nur fast, denn ganz so schmal wie früher war er nicht mehr. Hätten sich die Schlüssel für den Käfig an Mr   Haddos Gürtel befunden, wo er sie manchmal aufbewahrte, hätte Mr   Gaunt vielleicht an sie herankommen können. Aber dieses Mal hingen sie an einem Haken auf der Rückseite der Tür.
    Nun war Mr   Gaunt in vielerlei Hinsicht ein exzentrischer Mann, der alte Gewohnheiten nur schwer ablegte. Und in der langen Phase seiner Begeisterung für Houdini hatte er die merkwürdige Angewohnheit gepflegt, genau wie der Held seiner Kindheit in der dicken Hornhautschicht an seinen Fußsohlen immer eine aufgefaltete Büroklammer mit sich zu tragen – um damit das Schloss seiner eigenen Haustür zu knacken, falls er sich einmal ausschließen sollte. Was durchaus schon vorgekommen war, denn ihm gingen meist so viele geschäftliche Dinge durch den Kopf, dass er so scheinbar belanglose Kleinigkeiten wie Haustürschlüssel, Kleingeld und Kreditkarten häufigvergaß. Für die Bewohner der East 77th Street war es kein ungewöhnlicher Anblick, den Multimillionär und Banker auf den Stufen seines Hauses sitzen zu sehen, wo er sich Schuhe und Strümpfe auszog, um seine Notfall-Klammer aus der Hornhaut zu pulen. Das war für die Nachbarn nur eines von vielen seltsamen Vorkommnissen, die sich inner- und außerhalb von Nummer sieben abspielten.
    Mr   Gaunt war schon seit Jahren nicht mehr im Fußpflegestudio gewesen und die Hornhaut an seinen Fußsohlen war so dick, hart und gelb wie ein kalt geräucherter Schellfisch. So unschön das auch sein mag, sollte man nicht vergessen, dass ihn das noch lange nicht zu einem schlechten Menschen machte. Da die Hornhaut so dick war, brauchte der arme Mr   Gaunt fast zwei Minuten, um die lange, dünne Büroklammer herauszuziehen, die er dort seit Monaten versteckt hatte, unberührt wie eine vergessene Mausefalle. Das Öffnen des kleinen Vorhängeschlosses der Käfigtür hingegen dauerte nur wenige Sekunden.
    Nun musste er nur noch die Tür öffnen, ohne dass sie quietschte. Das Tablett mit den Resten seines Abendessens stand noch im Käfig auf dem Boden. Sie hatten ihn gut versorgt, das musste er zugeben. Allerdings hatte er für Salat noch nie viel übriggehabt, daher führte er die Zutaten seines French Dressing aus Olivenöl und Balsamico-Essig flugs einer besseren Verwendung zu und ölte damit die Angeln der Käfigtür.
    Als die Käfigtür leise aufging, gab Mr   Haddo einen Schnarcher von sich und bewegte sich im Sessel. In diesem Moment fiel Mr   Gaunt die Büroklammer aus der Hand. Im totenstillenZimmer war es, als knalle eine Eisenstange auf den nackten Holzboden. Haddo bewegte sich wieder, rollte den Kopf hin und her, gähnte, reckte die Arme über den Kopf und schlug die Augen auf. Es war das Letzte, was er für geraume Zeit sehen sollte, denn Mr   Gaunt packte die große Bratpfanne, in der man zuvor das Abendessen für ihn zubereitet hatte, und zog sie Mr   Haddo ordentlich über den Hinterkopf, dass sie wie eine Tischglocke schepperte. Mit einem blöden, verzerrten Lächeln im hässlichen Gesicht glitt Haddo ins Reich der Träume zurück.
    Mr   Gaunt stellte die Bratpfanne ab, holte Schuhe und Strümpfe aus dem Käfig und auch das Olivenöl und schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Nachdem er auch dort die Angeln geölt hatte, die nicht weniger rostig waren als die im Käfig, wartete er ein paar Sekunden, damit das Öl seine Wirkung tun konnte, drehte dann den Türknauf und schlich hinaus.
    Er befand sich am oberen Ende einer baufälligen Treppe, die er eiligst hinunterrannte, wobei er nur einmal kurz innehielt, um einen alten Schürhaken aus Messing mitzunehmen, der neben einem verwaisten Kamin stand. Er würde sich nicht ohne Gegenwehr wieder

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