Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka
Er wollte so schnell wie möglich weiter, merkte aber, dass seine Gefährten eine Pause brauchten. »Nun gut«, sagte er. »Wir rasten eine Viertelstunde. Aber nicht länger. Wir können es uns nicht leisten, noch mehr Zeit zu verlieren.«
Groanin setzte sich neben Philippa und wischte sich mit einem bettlakengroßen Taschentuch den Schweiß von der Stirn. »Ich kann mich nicht entscheiden, was sich schlimmeranfühlt«, sagte er. »Meine Füße oder mein Magen. Ich habe Riesenkohldampf, Boss.«
»Ich fürchte, Sie müssen sich noch eine Weile gedulden bis zur nächsten Mahlzeit«, sagte Nimrod. »Wenn es Dybbuk und Macreeby gelingt, die Bombe zu zünden, werden Sie von Ihrem Hunger nichts mehr merken.«
»Aber mein Magen rebelliert, falls Sie es noch nicht gemerkt haben.« Wieder drang ein lautes Knurren aus Groanins Bauch. »Und Sie wissen ja: Alle Revolutionen kommen aus dem Magen.«
Inzwischen hatte Philippa Wanderschuhe und Strümpfe ausgezogen und inspizierte ihre Füße, was John veranlasste, sich die Nase zuzuhalten.
»Meine Füße stinken nicht«, protestierte Philippa.
»Alle Füße stinken«, sagte Groanin. »Die meisten nach Käse.« Er schnürte seine eigenen Stiefel auf und starrte unglücklich auf eine Socke, die schmieriger aussah als eine Pommestüte. »Es wäre unnormal, nach einem ordentlichen Marsch keine Stinkefüße zu haben. Meine riechen jedenfalls. Wie alter englischer Cheddar. Oder ein schönes Stück Stilton. Oder vielleicht eine Ecke Yorkshire Blue. Es gibt Zeiten – und jetzt ist so ein Moment –, da steigt mir ein Hauch von meinem eigenen Fußschweiß in die Nase und ich denke, wenn ich doch nur ein bisschen Brot und Eingemachtes hätte, ein paar Radieschen und Frühlingszwiebeln und ein Glas Bitter Lemon.« Groanin lächelte bei dem Gedanken daran, seine eigenen Füße zu verspeisen. »Ja, wirklich, es gibt Zeiten, da denke ich, meine Füße würden ein verdammt gutes Mittagessen abgeben.«
»Äh, Groanin«, sagte John. »Das ist eklig.«
»Für dich vielleicht. Aber du sollst sie ja auch nicht essen. Es hat dich niemand eingeladen zu dem wunderbaren Festessen, das meine Füße und ich veranstalten.«
Zadie nahm einen von Philippas Wanderschuhen in die Hand und betrachtete ihn prüfend. »Deine Schuhe sehen wirklich nicht so bequem aus wie meine«, sagte sie. »Aber wir haben die gleiche Größe. Möchtest du vielleicht meine anziehen?«
Lächelnd griff Philippa in ihren Rucksack. »Das ist wirklich nett von dir, Zadie«, sagte sie. »Aber ich dachte, ich trage die hier für eine Weile.« Sie holte ein Paar goldene Schuhe heraus. »Sie sind unglaublich bequem. Und was noch besser ist, sie riechen nicht nach Käse, sondern nach wilden Erdbeeren.«
»Das ist mal eine nette Abwechslung«, sagte John.
»Erdbeeren sind schön und gut«, sagte Groanin. »Aber unter einer richtigen Mahlzeit verstehe ich was anderes. Erdbeeren sind nicht sehr gehaltvoll.«
»Darf ich?«, fragte Zadie.
»Sicher.« Philippa reichte Zadie die Schuhe und diese hielt sie sich an die Nase.
»O Gott, riechen die gut«, sagte Zadie. »Ich glaube, ich habe noch nie so wunderbar duftende Schuhe gesehen.«
»Erdbeeren gehören zur Gattung der ›Fragaria‹«, sagte Nimrod geistesabwesend. »Das kommt vom lateinischen ›fragrans‹ und bedeutet wohlriechend. Natürlich werden Erdbeeren heutzutage überall gern gegessen. Dabei hielt man sie in Teilen Südamerikas bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts für giftig.«
»Warum hat mir das nicht schon früher jemand gesagt?«, sagte Groanin und verzog das Gesicht. »Das ist mir wirklich schleierhaft.«
»Diese Schuhe sind wie ein Hauch von Sommer.« Wieder steckte Zadie die Nase in die Schuhe und atmete tief ein. »Das Seltsamste ist, dass man die Erdbeeren sogar schmecken kann.«
Sie gab Philippa die Schuhe zurück. »Woher hast du sie? Aus New York? Fifth Avenue? Ich wette, es war irgendein superteurer Laden.«
»Ehrlich gesagt hat sie mir jemand geschenkt«, sagte Philippa und zog die Schuhe an. »Als wir in China waren. Ein großer Dschinn namens Kublai Khan hat sie mir gegeben.«
»Was?
Der
Kublai Khan?«
»Ja.« Philippa stand auf. »Wisst ihr was? Es ist komisch, aber jetzt, wo ich sie anhabe, fühle ich mich, als könnte ich endlos weiterlaufen.«
»Du hast nicht zufällig noch ein Paar?«, fragte Groanin. »Meine Quanten sind schwer wie Blei. Ich schwöre, sie fühlen sich an, als wären sie bis nach Tipperary und zurück gelaufen. Ich
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