Die Kinder des Dschinn. Das dunkle Erbe der Inka
Leib. Schätze, er war König oder so.« Er deutete auf einige der anderen Alkoven, in denen allmählich weitere Inka zum Vorschein kamen. »Inka haben früher tote Königsmumien überallhin mitgenommen«, fuhr er fort. »Gut möglich, dass die hier tote Könige sind. Jetzt wir wissen auch Ursache von komischem Geruch. Das hier ist Gruft.« Dann rief er über die Schulter: »Besser, du beeilst dich mit Machete, Muddy. Schätze, wir kriegen bald Gesellschaft.«
»Ach, Miesito«, sagte Philippa. »Die sind doch schon mindestens fünfhundert Jahre tot. Außerdem, selbst wenn sie wieder zum Leben erwachen würden – was nicht passieren wird –,haben Sie schließlich einen Dschinn dabei, der Sie beschützen kann. Solange ich in Ihrer Nähe bin, wird Ihnen nichts geschehen.«
»Okay, Miss. Aber ich bin trotzdem froh, wenn ich wegkomme von hier. Hab nicht gern tote Leute um mich. Totsein steckt vielleicht an.«
Philippa hielt das für einen Scherz. »Es ist keineswegs ansteckend «, sagte sie tadelnd. »Wirklich nicht.«
»Das sagst
du
«, sagte Muddy. Er holte wieder mit der Machete aus und riss einen langen Pflanzenstrang von Tür und Wand. Er ließ auch dann nicht locker, als er feststellte, dass die Kriechpflanze bis zum Dach hinaufreichte, an eine Stelle, die nicht weit von Groanin entfernt war.
Groanin spürte, dass sich die Ranke, an der er sich festhielt, verdächtig bewegte. »Muddy, alter Freund«, rief er. »Auf was hacken Sie da eigentlich ein?«
Muddy bearbeitete die nächste Pflanze. »Bloß auf Grünzeug, das Tür blockiert«, rief er.
»Dann seien Sie schön vorsichtig«, ermahnte ihn Groanin und spürte, wie sich der Strang in seiner Hand abermals bewegte.
Er wollte ihn gerade erneut warnen, als sich die Ranke urplötzlich vom Dach löste und Groanin wie Tarzan, der sich an einer Liane durch den Urwald schwingt, in hohem Bogen herabsauste.
»Vorsicht, Miss!«, schrie er auf dem Weg nach unten, denn es war bereits abzusehen, dass er mit Philippa zusammenprallen würde. »Vorsicht, hab ich gesagt!«
Zu spät drehte Philippa sich um, um nachzusehen, wovor sie gewarnt wurde. Groanins massiger Leib traf sie mit der Wucht einer Abrissbirne. Der Aufprall schleuderte sie von den Füßen und in einen Alkoven, wo sie mit einem der mumifizierten Könige kollidierte und regungslos liegen blieb.
Groanin, dem der Zusammenprall nichts ausgemacht hatte, rappelte sich auf und rannte zu Philippa hinüber. Zu seiner großen Erleichterung atmete sie, aber sie war ohnmächtig. Groanin nahm sie auf den Arm und beförderte den Inkakönig mit einem Fußtritt zur Seite. Dann trug er sie aus dem düsteren Alkoven, legte sie neben die Tür, die Muddy kurz zuvor entdeckt hatte, und versuchte sie aufzuwecken. Er tätschelte ihr die Wangen und die Hände und wedelte ihr mit seiner Jacke sogar Luft zu.
Miesito kniete sich neben Philippa und fühlte ihren Puls. »Das war mächtige Karambolage«, bemerkte er. »Wie Rammstoß bei American Football. Schätze, Dschinnmädchen ist erst mal k. o.«
»Jedenfalls lebt sie«, sagte Groanin.
»Aber nicht nur sie. Seht.«
Muddy deutete auf den Alkoven, aus dem Philippa gerade abtransportiert worden war und in dem nun der mumifizierte Inkakönig auf die Beine kam. Seine Bewegungen waren langsam und abgehackt, wie es nach fünfhundert Jahren ohne Bewegung nicht anders zu erwarten war. Aber seine Absicht war unverkennbar. Gerade bewaffnete er sich mit Pfeil und Bogen, die man ihm in den Alkoven mitgegeben hatte.
Die meisten anderen Inkakönige erwachten ebenfalls allmählichzum Leben und auch sie sammelten ihre primitiven Waffen ein.
Primitiv, aber wirkungsvoll. Ein Pfeil schwirrte durch die Luft und flog nur knapp an Groanins Ohr vorbei.
»Hören Sie auf damit!«, schrie der englische Butler. »Sonst schießen Sie mit dem Ding noch jemandem ein Auge aus.«
»Ich glaube, das ist Sinn von Sache«, sagte Miesito. »Vielleicht Sie hätten ihn nicht treten sollen.«
»Was kann ich dafür, dass er wieder lebendig geworden ist?«, sagte Groanin, als ein weiterer Pfeil heransurrte. »Tun Sie was.«
Miesito, der es endlich geschafft hatte, die letzten Reste des Kautschuks abzukratzen, mit dem die Xuanaci die magische Tätowierung auf seinem Bauch bedeckt hatten, machte sich daran, sie den vorrückenden Inkakönigen zu zeigen, damit diese sich in Stein verwandelten.
»Haltet euch die Augen zu«, sagte er zu den anderen und streckte den marodierenden Inkakönigen seinen Bauch
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