Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
Dschinn?«
Die Kinder, die wussten, dass 38,6 Grad die normale Körpertemperatur eines Dschinn war, schwiegen betreten, während sie sich mit dem Gedanken vertraut machten, dass der Guru jetzt womöglich ein voll entwickelter Dschinn war. Es war Philippa, die als Erste antwortete: »Nein, das hört sich wirklich nicht gut an.«
»Miss ihre Temperatur«, forderte der Guru Jagannatha auf. »Nur um sicherzugehen, dass sie nicht lügt.«
Jagannatha ging mit dem Thermometer zu Philippa.
»Das nehme ich nicht in den Mund«, sagte sie. »Nicht, bevor es gereinigt ist.«
»Tut mir leid«, sagte Jagannatha, holte ein anderes Fieberthermometer heraus und schob es Philippa unter die Zunge. »37 Grad«, sagte er nach einer Minute. »Ganz normal.«
Normal war diese Temperatur für einen Menschen; für einen Dschinn dagegen war sie natürlich viel zu niedrig. Philippa ging es ganz und gar nicht gut. Sie wusste das und die Jungen wussten es auch, doch sie schwiegen und hofften, die Absichten des Gurus wenigstens ein bisschen durcheinanderbringen zu können.
»Ihre Temperatur müsste niedriger sein«, sagte Jagannatha zu Guru Masamjhasara. »Vor allem, wenn man bedenkt, wie kalt es hier ist.«
»Kann sein, aber mir geht es gut.« Er warf seinen Pelzmantel ab. »Bist du sicher, dass wir hier drinnen immer noch Minustemperaturen haben? Nicht dass es einem unserer Gäste warm genug wird, um uns ein paar Tricks vorzuführen.«
Der zweite Pfleger kam mit dem Tee für den Guru herein. Dieser nahm die Tasse und deutete dann auf ein teuer aussehendes Messgerät an der Wand. »Überprüfe die Temperatur.«
Der Pfleger sah auf die Anzeige, klopfte zur Sicherheit dagegen und zuckte dann die Achseln. »Alle Temperaturen sind normal, Euer Heiligkeit.«
»Was soll das heißen?« Der Guru klang irritiert. »Die Temperaturen werden hier drinnen künstlich niedrig gehalten. Das hat mit normal nichts zu tun.«
»Beruhigen Sie sich, Euer Heiligkeit«, sagte Jagannatha. »Es friert hier drinnen. Es ist alles in Ordnung, Sir.«
»Das ist Ansichtssache«, erwiderte der Guru. »Überprüfe das Barometer. Sieh nach, ob es auch richtig funktioniert.« Er stand auf, reckte sich ein wenig und ging dann zu Philippas Bett hinüber. »Also, Guru Philippa. Womit fangen wir an?«
»Es ist zu kalt hier drinnen«, sagte Philippa. »Wir müssen raus in die Sonne. Dschinn sind ein bisschen wie Eidechsen. Sie brauchen Wärme, um ihre Kräfte zu entfalten.«
Der Guru gackerte. »Du willst mich wohl für dumm verkaufen? Sobald du dich aufwärmst, machst du mir die Hölle heiß. Nein, nein, wir machen es anders. Du gibst mir ein paarnützliche Tipps, wie man seine Dschinnkräfte richtig anwendet, und dann gehe ich zum Üben nach draußen. Obwohl ich nicht glaube, dass das nötig ist. Mir ist überhaupt nicht kalt. Eigentlich ganz im Gegenteil. Dieses neue Blut sprudelt regelrecht in mir. Wie eine geschüttelte Flasche Champagner. Ich bin voller Energie. Einfach großartig.«
»Na gut«, sagte Philippa. »Dann müssen Sie sich ein Fokuswort ausdenken. Ein Wort, das Sie nur im Zusammenhang mit dem Gebrauch Ihrer Dschinnkräfte anwenden werden.«
»Verstehe. Wie ein Mantra oder ein Zauberwort.«
»Nein, so einfach ist das nicht. Dschinn bestehen aus Feuer. Sie müssen das Wort anwenden, um ihre Kräfte damit zu bündeln. So, wie ich es vorhin erklärt habe. Wie ein Vergrößerungsglas, das die Kraft der Sonne auf einem Blatt Papier bündelt. Nur dass sein Klang in Ihrem Innern existiert. Sie müssen mit Hilfe Ihrer Willenskraft sämtliche Gedanken, Ihre ganze Konzentration auf einen Punkt ausrichten.«
»Ja, ja, ja«, fauchte der Guru. »Das verstehe ich alles. Das, was du da beschreibst, ist mir durch die transzendentale Meditation wohl bekannt.«
»Außerdem sollte es ein möglichst langes Wort sein«, beharrte Philippa. »Damit es Ihnen nicht versehentlich herausrutscht. Im Schlaf zum Beispiel. Und damit Sie es nicht vergessen.«
Der Guru besann sich einen Augenblick. »Ein Wort. Wie ein Codewort. Ja, ich verstehe.« Wieder überlegte er. »In Ordnung. Ich habe eines. Und jetzt?«
Philippa rutschte auf ihrem Bett unruhig hin und her, was nicht leicht war wegen der Gurte, die sie festhielten. »Wenndie Gurte nicht so eng wären, könnte ich besser sehen, was Sie tun, und Ihnen helfen.«
»Gleich«, sagte der Guru. »Vielleicht.«
»Sie sollten damit anfangen, etwas verschwinden zu lassen «, seufzte Philippa. »Oder es erst mal
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