Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon
Fokuswort – im Fall, Ayesha würde seine Kräfte spüren –, dann wünschte er, so intensiv er es wagte, Alan und Neil sollten wieder lebendig sein. 1
Sein versuchsweise ausgesprochener Wunsch zeigte sofortige Wirkung. Die ganze Gestalt wurde von einem elektrischen Knacken und Knistern durchdrungen und John hätte schwören können, dass sie ein Stück größer geworden war. Kein Zweifel, dachte er, das war das Wunschmonster. Er spürte, dass Gefahr von ihm ausging, wenn er auch nicht genau wusste, was für eine Art von Gefahr. Doch als er sich nun umdrehte, um zurückzukriechen, sah er sich urplötzlich einem seltsamen Mann gegenüber, der genau wie er auf allen vieren kauerte. Damit aber endete auch schon jede Ähnlichkeit, denn der Mann war nackt und nass vom Tau des Grases, durch das er nicht nur gekrochen war, sondern von dem er auch ständig aß. Haare wuchsen an seinem Körper wie Federn an einem Vogel, und die Nägel an seinen Fingern und Zehen glichen Vogelkrallen. John hätte wahrscheinlich vor Angst geschrien, aber der Gras essende Mann hatte ihm bereits seine starke und ziemlich unangenehm riechende Hand über den Mund gelegt. Stumm schüttelte er den Kopf, bis John ihm mit einem Nickenzu verstehen gab, dass er nicht schreien würde. Da nahm der Mann seine Hand weg, kroch leise auf Händen und Knien davon, und John folgte ihm.
Nachdem sie offenbar genügend Abstand gewonnen hatten, hielt der Mann an und setzte sich vor John hin. Er fing an, seinen langen Bart zu flechten, und riss ab und zu eine Hand voll Gras ab, das er in seinen grünen Mund schob und kaute wie eine Kuh. Zum Reden schien er keine Lust zu haben.
»Wer sind Sie?«, fragte John schließlich.
»Ich bin der König. Friede sei mit dir.«
»Was für ein König?«
Der Mann zog die Schultern hoch und aß wieder eine Hand voll Gras. »Einfach nur der König«, sagte er und bot John ein Büschel Gras an.
»Nein, danke«, sagte John. »Davon bekomme ich Blähungen.« Er lächelte auf seine gewohnt freundliche Art, als würde er einen neuen Jungen in der Schule begrüßen. Kurz darauf kam Finlay aus der Luft gestürzt und ließ sich zum Entzücken des Gras essenden Königs auf Johns Schulter nieder.
In dem Schweigen, das nun entstand, überlegte John, ob der Mann tatsächlich ein König sei. Gras fressen, sich weder Haare noch Zehennägel schneiden und auf allen vieren kriechen war nicht unbedingt das Benehmen, das John mit einem König in Verbindung brachte, aber schließlich war in Iravotum alles möglich. Und außerdem wurden manchmal sogar Könige verrückt. Dieser hier sah jedenfalls ein bisschen verrückt aus, wenn auch nicht gefährlich.
»Das Ding dahinten«, sagte John. »War das das Wunschmonster?«
Der König grinste. »Ja«, sagte er. »Wunschmonster.«
»Ist es gefährlich?«
»Sehr gefährlich. Alle Dinge und alle Wesen, die nach Iravotum kommen, haben einen Wunsch. Einen sehr starken Wunsch. Es ist der Wunsch, irgendwie korrigiert zu werden. Oder der Wunsch, rückgängig gemacht zu werden. Oder vielleicht der Wunsch, in Erfüllung zu gehen. Aber das Wunschmonster verschlingt sie alle und, noch wichtiger, es verschlingt jeden ihrer Wünsche, die in der Luft liegen. Der König klopfte sich vielsagend mit den haarigen Fäusten an die Brust. »Deshalb ist das Monster sehr mächtig. Sehr stark.« Dann zeigte er auf Finlay, zuckte die Schultern und sagte traurig: »Der wird auch vertilgt werden, wenn er lange genug bleibt. Und du auch. Es ist nur eine Frage der Zeit. Entweder das, oder aber man darf sich überhaupt gar nichts wünschen. Aber ich frage dich, wer kann das? Wer kann ganz mit sich zufrieden sein?«
Der König stopfte sich ein großes Büschel Gras in den Mund und kaute hörbar darauf herum. Dann ließ er einen fahren, sehr laut und fast eine halbe Minute lang, was ihn sichtlich zu befriedigen schien.
John brach in schallendes Gelächter aus. »Unglaublich!«, sagte er anerkennend. »Aber was ist mit Ihnen, Majestät? Ich meine, sind Sie denn zufrieden?«
»Ja, ich bin zufrieden«, sagte der König. »Ich wünsche mir nichts. Meine Strafe war gerecht. Nur durch meine Zufriedenheit habe ich überlebt. Weil ich keinen Wunsch habe. Was ich brauche, finde ich hier. Genügend saftiges Gras zum Essen.« Er rülpste behaglich. »Genügend Wasser zu trinken. Was kann sich ein König mehr wünschen?«
»Wie soll ich das wissen?«, sagte John höflich. »Aber wenn das alles ist, was Sie brauchen, dann umso besser
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