Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon
ziemlich fortgeschrittene Spielerin. Meistens spielte sie mit ihrem Vater und einem seiner Freunde, einem gewissen Bull Huxter, der als einer der wenigen Menschen über die Zwillinge Bescheid wusste. Philippa ahnte, dass Nimrod sie fragen wollte, ob sie bei dem bevorstehenden Dschinnverso-Turnier mitmachen würde. Dieses Turnier fand jedes Jahr zwischen Weihnachten und Neujahr statt. Philippa hatte sich aber noch nicht entschieden. Sie war ein stilles, zurückhaltendes Mädchen und neigte – anders als ihr Bruder – nicht dazu, sich aufzuspielen und sich oder anderen etwas beweisen zu wollen.
Nimrod ahnte ihre Unentschlossenheit. »Bei meiner Lampe«, sagte er, während er sich eine Zigarre ansteckte. »Natürlich machst du mit. Jemand mit deiner Begabung und deiner Fähigkeit kann doch nicht ernsthaft daran denken, sich
nicht
am Turnier zu beteiligen. Das ist ganz und gar undenkbar, Philippa. Einfach sträflich.« Er paffte eine dicke Rauchwolke in Form eines großen Ausrufezeichens in die Luft. »Wenn ich das mal so sagen darf.«
Philippa zog die Schultern hoch und versuchte, das Thema zu wechseln. »Wie ich sehe, schmecken dir dicke Zigarren immer noch«, sagte sie.
»Drück dich nur nicht um die Antwort herum. Hast du dich eintragen lassen oder nicht?«
»Nein. Und um ehrlich zu sein, Onkel, ich weiß nicht, ob ich überhaupt will.«
»Nun, das liegt natürlich bei dir.« Nimrod überlegte einen Moment. »Komm mal mit, ich will dir ein Dschinnmädchen in deinem Alter vorstellen, Lilith de Ghulle. Komische Leute, die de Ghulles. Es sind böse Dschinn, wollen aber jedem einreden, dass sie gut sind. Oder wenigstens nicht so schlecht, wie man sagt. Allein aus diesem Grund sind Lilith und ihre Mutter hier.« Nimrod lächelte nachsichtig. »Aber wer weiß? Vielleicht kann die Katze das Mausen doch noch lassen.«
Mimi de Ghulle trug einen Pelzmantel, große Ohrringe und eine Lederhandtasche, die wie ein gigantisches Vorhängeschloss an ihrem Arm hing. Sie unterhielt sich mit Frank Vodyannoy und gähnte laut, als langweile sie sich zu Tode.
»Na, Mimi«, sagte Nimrod freundlich. »Gefällt dir die Feier?«
»Aber sicher«, sagte Mrs de Ghulle. Sie sprach irgendwie seitlich aus dem Mundwinkel heraus. »Nicht um alles auf der Welt hätte ich sie versäumen wollen.«
Philippa merkte ihr an, dass sie es nicht ehrlich meinte. Mrs de Ghulles Lippen sahen aus wie von einer Fahrradluftpumpe aufgeblasen. Ihre Nase hatte ein Schönheitschirurg zwar perfekt in Form gebracht, aber weil sie zu klein für ihr Gesicht war, sah ihr Kopf eher wie ein Totenschädel aus.
»Und das ist also Töchterchen Lilith«, bemerkte Nimrod.
Lilith de Ghulle glich Mimi de Ghulle vom Pelzmantel bis zur Handtasche. Aber die Ähnlichkeit hatte etwas Unangenehmes. Philippa fand, Lilith sah ihrer Mutter auf eine Weise ähnlich, wie manche Hunde ihren Besitzern ähnlich sahen (oder oft auch umgekehrt).
»Lilith? Ich möchte dir meine Nichte Philippa vorstellen.«
»Hallo«, sagte Philippa.
Lilith warf ein unangenehmes, herablassendes Lächeln in Philippas Richtung und kaute unbeirrt an ihrem Kaugummi.
»Lilith ist zurzeit Djunior-Dschinnverso-Champion«, erklärte Nimrod.
»Richtig«, sagte Mrs de Ghulle. »Und dieses Jahr wird sie wieder gewinnen, ihr werdet sehen.«
»Weißt du, Lilith«, sagte Nimrod, »vielleicht könntest du Philippa zum Mitmachen überreden. Sie scheint etwas zögerlich. Ich bin sicher, ein ermutigendes Wort von dir würde genügen.«
Lilith, die nicht viel älter als Philippa war, musterte Nimrod belustigt. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Die Kleine hat doch keine Chance. Nicht, solange ich dabei bin.«
Nimrod kicherte nervös, aber Philippa wurde rot vor Zorn, als Lilith sie wieder mit diesem herablassenden Blick streifte.
»Lass dir einen Rat geben, Baby«, spottete Lilith. »Bleib bei deinen Puppen und deinem Laufställchen. Dschinnverso ist ein Spiel für Erwachsene.«
Mrs de Ghulles Lächeln war eine Mischung aus Stolz und Verlegenheit. »Sie macht nur Spaß. Nicht wahr, Liebling? Sie ist in diesem unangenehmen Alter, Nimrod.«
»Ja, das sehe ich«, sagte Nimrod. »Sehr unangenehm.«
Er ging mit Philippa weiter zu einem Tisch, auf dem Mr Rakshasas’ Buch ausgestellt war.
»Das reicht«, sagte Philippa entschlossen. »Ich mach mit. Schon allein wegen der Möglichkeit, dieses unerträgliche Mädchen zu besiegen.«
»Deshalb wollte ich ja, dass du sie kennen lernst«, lachte Nimrod. »Dass du
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