Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon
begreifst, warum unbedingt du der nächste Djunior-Champion werden musst.«
»Meinst du wirklich, ich kann gewinnen?«
»Wäre ich nicht davon überzeugt, hätte ich dich nicht mit Lilith de Ghulle konfrontiert.«
»Dann glaubst du also doch nicht, dass eine Katze das Mausen lassen kann?«
Nimrod lächelte. »Nein. Und ich kann mir sogar sehr genau denken, was Mimi de Ghulle vorhat. Sie möchte jemanden davon überzeugen, dass sie jenseits der alltäglichen Spannungen von gut und böse steht, die zwischen den Dschinnstämmen herrschen. Einer ganz bestimmten Person möchte sie das klar machen.«
»Dir?«
»Bei meiner Lampe, nein. Was ich von Mimi halte, das kümmert sie keinen Deut. Nein, sie will Eindruck auf den Blauen Dschinn von Babylon machen, und offenbar hat sie Erfolg. Leider. Man vermutet stark, dass Mimi der nächste Blaue Dschinn wird. Sie wartet nur auf die Nachricht von Ayesha, die als offizielle Schiedsrichterin zum Dschinnverso-Turnier kommen wird. Ayesha, so heißt der gegenwärtige Blaue Dschinn, ist auf der Suche nach einer Nachfolgerin, und zwar schon lange. Alle wissen, dass ihre eigene Nachfolge damals, 1928, ebenfalls während eines Dschinnverso-Turniers von unserem letzten Blauen Dschinn bekannt gegeben wurde.«
»Aber wer ist der Blaue Dschinn? Und was macht sie?«, fragte Philippa.
»Sie ist das symbolische Oberhaupt aller Dschinn, der guten wie der bösen. Eine Stellung, die sie nur ausfüllen kann, wenn sie weder gut noch böse ist. Ayesha, Friede sei mit ihr, steht jenseits von gut und böse, und nur deshalb kann sie beiden Seiten gerecht werden. Sie sorgt nicht nur für das Wohl aller Dschinn, sondern sie hat auch das letzte Wort in unserer Rechtsprechung und verhängt Strafen über die, denen die Verletzung der Regeln von Bagdad nachgesagt wird.«
»Was für Strafen? Und wen straft sie zum Beispiel?«
»Ayesha hat entschieden, dass Iblis verbannt werden soll, weil er in Kairo den armen Hussein Hussaout umgebracht hat. Die Flasche, in die wir ihn damals gesperrt haben, wird also an einen Ort gebracht, von wo es zehn Jahre lang keinerlei Fluchtmöglichkeit gibt.«
Iblis war der oberste Dschinn der Ifrit, eines besonders boshaften Stamms. Gemeinsam mit seiner Nichte und seinemNeffen hatte Nimrod ihn im letzten Sommer in eine antike Duftflasche gesperrt, und Philippa hatte geglaubt, die Flasche läge sicher in Nimrods Haus in Ägypten im Kühlschrank.
»Wo will sie ihn denn hinschicken?«, fragte sie.
Nimrod machte ein verlegenes Gesicht. »Sie schickt ihn an Bord der europäischen Raumsonde zur Venus.«
»Zur Venus?«, rief Philippa. »Wie schrecklich.«
»Ja, ziemlich ungemütlich«, gab Nimrod zu. »Aber Iblis übersteht das mit Sicherheit. In zehn Jahren soll eine zweite Sonde den größten Teil der Ausrüstung zurückbringen, auch das Gefäß mit Iblis’ Flasche.«
Philippa runzelte die Stirn. »Ich weiß, dass er Hussein Hussaout umgebracht hat. Und dass Hussein einen Sohn hatte, der jetzt keinen Vater mehr hat. Aber ich finde es trotzdem grausam, jemanden zur Verbannung auf die Venus zu verurteilen. Für zehn Jahre! Können wir nicht was zu seinen Gunsten sagen?«
»Offen gestanden, das habe ich schon versucht«, sagte Nimrod bekümmert. »Aber der Blaue Dschinn hat gesprochen.«
»Dann muss sie ganz furchtbar hartherzig sein.«
»Zum Korken noch mal, Philippa, das ist doch der Punkt. Sie
ist
hartherzig. Du weißt nicht, wie Recht du hast. Der Blaue Dschinn ist das hartherzigste Wesen der Welt. Wie könnte sie sonst jenseits von gut und böse stehen? Das bedeutet aber auch, dass die Rechtsprechung der Dschinn manchmal etwas streng erscheint – ganz wie die der Menschen.« Nimrod nahm ein Buch vom Tisch und blätterte darin. »Du wirst in Mr Rakshasas’ Buch viel über den Blauen Dschinn finden. Falls es dich überhaupt interessiert.«
Philippa interessierte sich brennend für jede Einzelheit, aber warum eigentlich, das konnte sie sich selbst kaum erklären. Deshalb schien es mehr als nur Zufall zu sein, als sie schon am nächsten Tag dem Blauen Dschinn persönlich begegnete.
Philippa ging die Fifth Avenue entlang. Sie hatte mit ihrem Vater und seinem Freund Bull Huxter in dessen Wohnung Dschinnverso gespielt. Als sie am Hotel Pierre vorbeikam, sah sie die beiden Hunde Alan und Neil geduldig vor dem Eingang sitzen. Mrs Gaunt traf sich hier oft zum Tee mit ihren Freundinnen, deshalb ging Philippa hinein, in der Hoffnung auf ein Stück Kuchen. An diesem
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