Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon
mehr, das stimmt. Trotzdem muss ein Dschinn anwesend sein, wenn das Schwert aus der Vitrine genommen wird. Ich muss dabei sein und mit der Rinde von Aloepflanzen und einigen Dschinnformeln aus Salomons Grimoire dafür sorgen, dass kein Dschinn Hand an das Schwert legt. Eben darüber will ich mit Nimrod sprechen.«
»Über das Topkapi-Schwert?«
»Nein, du Dummkopf. Über das Grimoire. Salomons Buch.«
John fiel ein, dass Nimrod schon einmal davon erzählt hatte. »Das ist ein wichtiges Buch, nicht?«
»Es gibt nur drei bekannte Grimoires, die für die Dschinn von Bedeutung sind«, sagte Izaak. »Früher existierte noch einviertes. Die Bellili-Schriftrollen. Aber die wurden vernichtet, als Julius Cäsar die große Bibliothek von Alexandria niederbrannte. Heute sind es also nur drei. Das Summa Arcanus, das Meta Magus und das Buch des Salomon. Von diesen dreien spielt Salomons Grimoire die wichtigste Rolle. Mit den Beschwörungsformeln, die in allen Einzelheiten darin aufgeführt sind, kann ein Dschinn oder ein Magier die absolute Macht über viele Dschinn gewinnen. Wegen seiner hohen Bedeutung wird dieses Buch seit mehr als zweitausend Jahren vom Blauen Dschinn persönlich aufbewahrt. Sie hat an ihrem Hof in Berlin ein spezielles Heisenberg-Elektronensafe, in dem sie es unter Verschluss hält.«
»Was für ein Safe?«
»Ein Heisenberg-Elektronensafe«, wiederholte Izaak. »Es ist das sicherste Safe im ganzen Universum. Nach jedem Gebrauch ändert sich die Kombination automatisch. Sie existiert überhaupt erst bei Ayeshas persönlicher Anwesenheit, denn das Safe reagiert auf die Elektronen aus ihren eigenen Atomen.« Ungeduldig schüttelte er den Kopf. »Das ist jetzt aber völlig nebensächlich, weil sie nämlich in letzter Zeit oft mal vergessen hat, das Buch wieder einzuschließen – und jetzt ist es weg.«
»Heiliger Bimbam«, sagte John. »Jetzt versteh ich, warum du mit Nimrod reden willst. Es ist eine Sache von Leben und Tod, dass dieses Buch wieder in das Safe des Blauen Dschinn kommt, oder?«
Izaak schüttelte den Kopf. »Es ist in Wirklichkeit noch mehr«, sagte er. »Verzeih mir, dass ich das alles vor dir ausbreite, aber ich kenne Nimrod nicht, und es ist Brauch auf demTurnier, dass ein junger Dschinn wie ich einen älteren nicht ansprechen darf. Das darf man nur, wenn man ihm schon vorgestellt oder von ihm beleidigt worden ist. Ich habe dich vorhin mit ihm reden sehen und hatte gehofft, du könntest mich mit ihm bekannt machen.«
»Nichts leichter als das«, sagte John. »Nimrod ist mein Onkel.«
»Dann musst du der bekannte John Gaunt sein. Einer der Zwillinge, die den boshaften Iblis überwältigt haben. Ich habe schon viel von dir und deiner Schwester gehört.«
»Ach ja?« John warf einen nervösen Blick durch den Raum. Er wunderte sich immer noch, wie viele böse Dschinn hier anwesend waren. Von Iblis’ Familie sah er mindestens drei Mitglieder, von denen einer, Jonathan Teer, nur wenige Schritte entfernt stand.
»Danke«, sagte John. »Aber nicht so laut, ja? Manche Dschinn in diesem Raum sind nämlich gar nicht so glücklich über den Vorfall.«
»Ja, natürlich. Wie gedankenlos von mir.«
»Schon gut. Komm mit, dann kannst du meinen Onkel Nimrod begrüßen.«
Sie gingen auf dem dicken Teppichboden durch den Eichensaal. Nimrod, in seinem üblichen roten Anzug leicht zu erkennen, stand in einer Gruppe von Dschinn, die mit gespannter Aufmerksamkeit ein Dschinnverso-Spiel verfolgten.
»Onkel Nimrod?«, sagte John. »Hier ist ein junger Dschinn, der dich gern kennen lernen möchte.«
Nimrod sagte nichts, sondern blies nur einen Rauchring über Johns Kopf: »Schscht.«
»Es ist dringend«, flüsterte John. »Eine Sache von Leben und Tod.«
»Noch wichtiger«, beharrte Izaak.
Nimrod drehte sich zu den zwei jüngeren Dschinn um. »Tut mir leid, John, aber das muss eine Weile warten. Siehst du denn nicht? Deine Schwester steht in der Endrunde.«
Außer Philippa waren noch drei Dschinn im Spiel: Patricia Nixie aus Deutschland, Yuki Onna aus Japan und Lilith de Ghulle. Gerade hatte Lilith Patricias Gebot über
Aarons Silber
(fünf gleiche) angezweifelt und zu ihrem großen Ärger einen Wunsch verloren. Damit war Philippa die Einzige im Spiel, die noch alle drei Wünsche besaß.
Yuki Onna würfelte, bot
Magi
(drei gleiche) und reichte die Kristalldose an Philippa weiter.
Philippa blickte ausdruckslos auf die Astragali in der Dose, fand drei passende für
Feuer
und nahm die anderen
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