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Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon

Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon

Titel: Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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seiner Hand. Der Beschreibung nach musste man dem Fährmann zwei Münzen geben. Zwar wurde nicht gesagt, welche Währung hier gültig war, aber Nimrod hatte gemeint, das spiele wahrscheinlich keine Rolle. »Also, ich sehe keine Spur von einem Boot.«
    Neil, der schärfere Augen besaß als sein Bruder und seinjunger Herr, suchte bereits den verschwommenen Horizont ab – es ließ sich unmöglich genau erkennen, wo das Wasser aufhörte und wo der elektrisch leuchtende Himmel begann. Aber nach einer Weile sah er in der Ferne etwas auf der Wasserfläche erscheinen und bellte aufgeregt.
    »Was ist, Neil?«, fragte John und folgte dem Blick des Hundes. »Siehst du etwas?«
    Wieder bellte Neil und machte einen Schritt ins Wasser, kam aber sofort laut winselnd ans Ufer zurückgelaufen – das Wasser war heiß, wie John jetzt feststellte. »Deshalb also die Wolken hier«, sagte er. »Es sind Dampfwolken.« Er leckte seinen Finger ab, den er ins Wasser getaucht hatte. »Ansonsten ganz trinkbar. Schade, dass wir kein Kaffeepulver dabeihaben. Das Wasser wäre fast heiß genug.«
    Nicht lange, und John erkannte in dem Ding auf dem Wasser eine menschliche Gestalt, die aufrecht im Heck eines Bootes stand und wie ein venezianischer Gondoliere mit einem langen einzelnen Ruder das Boot auf sie zubewegte. Aber erst als das Boot schließlich das Ufer berührte, erkannte er, dass der Fährmann nur die Nachbildung einer menschlichen Gestalt war, ein Automat, eine Art Roboter aus Messing.
    »Hallo«, sagte John nervös. »Ob Sie uns wohl über das Wasser zum Palast des Blauen Dschinn von Babylon bringen könnten?« Er gab ihm die zwei Münzen, die kaum ausreichend schienen. Stumm nahm der Fährmann die Münzen mit seiner Messinghand entgegen, dann zeigte er auf die Sitze im Bug des Bootes. John ging mit den Hunden an Bord.
    Mit mehr als menschlicher Kraft stieß der große Messing-Fährmann das Boot vom Ufer ab, dann griff er nach dem Ruderund in wenigen Minuten durchpflügten sie in einer unvorstellbaren Geschwindigkeit das heiße Wasser. Bald war das Ufer hinter ihnen verschwunden.
    John klopfte probehalber an die Eichenplanken des Bootes. »Hoffentlich ist es auch dicht«, sagte er. »Ich würde hier nicht unbedingt schwimmen wollen. Fünf Minuten in diesem Wasser, und ich würde aussehen wie ein gekochter Hummer.« Aber mehr Sorgen machte er sich um die Hunde; ihm als Dschinn würde das heiße Wasser wahrscheinlich nicht viel ausmachen, aber bei den Hunden war er da nicht so sicher. Unglücklicherweise hatte Macreeby hier eine Stelle zu übersetzen vergessen – ausgerechnet die Zeilen, die Johns Befürchtungen hätten zerstreuen können: Der Bug des Bootes bestand nämlich aus dem Holz einer Eiche, die mit der Gabe der Sprache ausgestattet war. So hätte John also nur das Boot selbst fragen müssen und er hätte eine Antwort bekommen.
    Eine Stunde verging, dann noch eine, und irgendwann schlief John ein und träumte von angenehmen Dingen. Doch alle Träume waren vergessen, als er die Augen aufschlug und endlich Land sah – einen fernen, mit Bäumen bestandenen Uferstreifen. Alan und Neil zappelten schon ungeduldig, denn nach der langen Fahrt brauchten sie dringend einen Baum für das, was Hunde in einem solchen Fall zu erledigen haben.
    John, der noch nicht begriffen hatte, dass nur das Boot sprechen konnte, nicht aber der Fährmann, nickte diesem freundlich zu. »Das war sehr nett von Ihnen«, sagte er. »Ich weiß nämlich nicht, wie wir sonst rübergekommen wären.«
    Der Messingmann sagte nichts, aber das Boot fragte sich im Stillen, warum man es nicht direkt angesprochen habe.
    »Wenn es keine unhöfliche Frage ist   …«, sagte John in einem weiteren Versuch, mit dem Messing-Fährmann ins Gespräch zu kommen. »Und es soll auch wirklich nicht abfällig klingen   … Ich meine, die Welt besteht schließlich aus allem Möglichen. Aber warum sind Sie ausgerechnet aus Messing?«
    Der Eichenbug des Bootes knackte leicht und sagte sich, es stehe einem einfachen Boot nicht zu, seine Passagiere anzureden. Auch nicht, wenn es aus dem Holz der einzigen sprechenden Eiche von Iravotum gebaut ist.
    Der Fährmann konnte nicht sprechen, so viel war sicher. Aber ebenso wie rudern konnte er auch mit den Fingern zeigen. Und das tat er jetzt. Er hielt einen Moment im Rudern inne und richtete als Antwort auf Johns Frage einen langen Messingfinger in den Himmel, dann ruderte er weiter. John nickte höflich, und es dauerte eine Weile, bevor er

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