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Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon

Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon

Titel: Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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Hochstapler zu tun hatte oder mit einer Gestalt, die gar nicht vorhanden war.
    »Dad«, sagte er behutsam.
    »Ja, John?«
    »Du kennst doch die kleine goldene Freiheitsstatue auf deinem Schreibtisch im Arbeitszimmer? Also   … bei der ist die Hand abgebrochen, in der sie die Fackel hält. Es war ein Versehen. Das wollte ich dir schon die ganze Zeit sagen. Ich habe die Hand wieder angeklebt, aber es ist nicht besonders gut geworden. Es tut mir wirklich leid.«
    Eigentlich hatte er die Geschichte längst in Ordnung bringen wollen, aber dann war Nimrod aufgetaucht und hatte ihn und Philippa um Hilfe gebeten in Sachen Salomons Grimoire. Dass er die Figur beschädigt hatte, dafür gab es keine Entschuldigung. Er konnte nicht sagen, wie es passiert war, nur dass er unvorsichtig damit umgegangen war, als er »Preisverleihung« gespielt hatte. Dabei war die Hand mit der Fackel abgebrochen. Das dämliche Stück hatte sage und schreibe 25   000   Dollar gekostet, es war also höchst unwahrscheinlich, dass sein Vater den Schaden gelassen aufnehmen würde. Genauso wenig würde er glücklich darüber sein, dass John sich im Irak aufhielt. Immerhin war es in der Abmachung mit Nimrod nur darum gegangen, dass John und Philippa nach Istanbul und nach Deutschland reisen durften.
    »Ich weiß wirklich nicht, wie es passiert ist«, sagte er. »Auf einmal war’s kaputt. Wie das eben so geht. Manchmal.« John zog die Schultern hoch. »Tut mir leid.«
    »Schon gut, mein Sohn. Ich verstehe. Da kann man nun mal nichts machen. Ist ja auch nur Nippes, nicht?« Und Edward Gaunt lächelte sein freundlichstes, nachsichtigstes Lächeln. Er fluchte nicht, er drohte John nicht mit Hausarrest und verhängte keine Taschengeldsperre für die nächsten sechs Monate. Das passte kein bisschen zu dem wirklichen Mister Gaunt – zumindest nicht zu dem Mister Gaunt im Winter. Philippa warf ihren Eltern gern vor, sie würden sich mehr für ihre Möbel und Kunstgegenstände interessieren als für ihre Kinder. Natürlich wusste John, dass das nicht stimmte, aber er wusste auch, dass sein echter Vater ihm jetzt ein paar Takte erzählt hätte. Und dass er fuchsteufelswild gewesen wäre.
    »Dad? Ich möchte nur, dass du weißt   … es geht nicht gegen dich, ja?«
    Noch während er sprach, stieß er seinem Vater das Schwert in den Leib, immer Enos Befehl im Kopf: »Der Eindringling muss den siebten Wächter bedenkenlos töten, andernfalls steht er vor der sofortigen Vereitelung seines esoterischen Strebens.« John wusste nicht ganz genau, was »esoterisch« bedeutete, aber er war sicher, wenn er Enos Anweisung nicht wortgetreu befolgte, würde er seine Schwester nie wiedersehen – jedenfalls nicht die Schwester, die er kannte und liebte.
    Wenn er aber gedacht hatte, sein Schwert würde nur durch dünne Luft schlagen, hatte er sich getäuscht. Er spürte durch den Griff in seiner Hand, wie die Klinge auf grässlich festen Widerstand traf. Was noch schlimmer war, Johns Vater schrielaut auf, als wäre er wirklich getötet worden. Er verschwand auch nicht wie die anderen Wächter. Stattdessen fiel er mit dem Gesicht voran auf den Boden und blieb reglos in einer Blutlache liegen. Blut, das nur zu echt und feucht und rot aussah.
     
    »Was habe ich getan?!«, schrie John klagend auf.
    Er warf das Schwert weg und kniete sich neben sein Opfer. Ihm war übel und ihn quälte das schreckliche Gefühl, etwas Entsetzliches getan zu haben. Der Gedanke ließ ihn nicht los, dass Eno sich geirrt hatte oder dass Virgil Macreeby etwas falsch übersetzt haben könnte – wie John ja zuvor schon befürchtet hatte. Auch im Tod sah der Mann genauso aus wie sein Vater.
    Er nahm ihm die Brille ab und steckte sie in die Brusttasche seines Anzugs, in der er einen Zigarrenhalter mit einer
Manyana Grand Cru
fand, der Lieblingszigarre seines Vaters. Warum sollte ein eingebildeter Edward Gaunt eine Zigarre bei sich haben? John kniff die Augen zusammen, als ihm die Tränen kamen und auf das blasse Gesicht des Toten fielen.
    »Es tut mir so leid«, sagte er in hilflosem Schmerz. Er war fest überzeugt, dass er tatsächlich seinen Vater getötet hatte, trotz aller gegenteiligen Beweise. »Dad, es tut mir so schrecklich leid.«
    Alan und Neil, die John nicht klar machen konnten, dass dieser Mann ganz sicher nicht sein Vater war, wollten ihn von der Leiche wegziehen, aber es gelang ihnen nicht. Mit geschlossenen Augen blieb John minutenlang neben dem Toten knien.
    Da gab Neil ein lärmendes

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