Die Kinder des Kapitän Grant
Atmosphäre. Thiere und Menschen unterlagen ihrem Einflusse. Sie gingen mechanisch vorwärts, und die Stille ward nur durch den Ruf Ayrton’s unterbrochen, der seine müden Thiere antrieb.
Von Mittag bis zwei Uhr passirte man einen merkwürdigen Wald von Farrnkräutern. Diese baumartigen, in voller Blüthe stehenden Pflanzen hatten bis zu dreißig Fuß Höhe. Pferde und Reiter gingen bequem unter ihren niederhängenden Zweigen durch. Unter diesen unbeweglichen Sonnenschirmen herrschte eine Kühle, über die sich Niemand beklagte. Jacques Paganel, der sich immer äußern mußte, verscheuchte mit seinen Auslassungen der Befriedigung Schaaren von Papageien und Kakadus. Es war ein Concert betäubenden Geplappers.
Der Geograph fuhr in seinen Ausrufungen des Entzückens fort, als seine Begleiter ihn plötzlich auf seinem Pferde schwanken und wie eine Masse niederstürzen sahen.
War es Folge einer Betäubung oder hatte die hohe Temperatur eine Beklommenheit verursacht? Man eilte auf ihn zu.
»Paganel, Paganel, was fehlt Ihnen? rief Glenarvan aus.
– Was mir fehlt, lieber Freund? Ich habe kein Pferd mehr, antwortete Paganel, indem er sich aus den Steigbügeln losmachte.
– Was! Ihr Pferd?
– Todt, vom Schlage gerührt, wie das Mulrady’s!«
Glenarvan, John Mangles, Wilson untersuchten das Thier. Paganel täuschte sich nicht, sein Pferd war plötzlich vom Schlage getroffen.
»Das ist sonderbar, sagte John Mangles.
– Sehr sonderbar, in der That«, murmelte der Major.
Glenarvan gerieth durch diesen neuen Unfall in große Besorgniß. Er konnte in dieser Wüste keine neuen Pferde anschaffen; wenn nun unter den Thieren der Expedition eine Epidemie ausbrach, so war er sehr in Verlegenheit, wie er die Reise fortsetzen solle.
Leider sollte vor Ende des Tages das Wort »Epidemie« gerechtfertigt erscheinen. Ein drittes Pferd, das Wilson’s, stürzte und, ein vielleicht noch ernsterer Umstand, einer der Ochsen gleichfalls.
Die Transport-und Zugmittel waren jetzt auf drei Ochsen und vier Pferde beschränkt.
Die Lage wurde bedenklich. Die Reiter konnten zwar absitzen und zu Fuß gehen. Viele Squatters hatten dies bereits in diesen wilden Regionen gethan. Wenn man aber den Wagen zurücklassen mußte, was sollte dann aus den reisenden Frauen werden? Konnten sie die hundertundzwanzig Meilen, welche sie noch von der Twofold-Bai trennten, zurücklegen?
John Mangles und Glenarvan, die sehr beunruhigt waren, untersuchten die noch überlebenden Pferde. Vielleicht konnte man neuen Unglücksfällen zuvorkommen. Nach geschehener Untersuchung ergab sich kein Zeichen von Krankheit oder auch nur von Hinfälligkeit. Die Thiere befanden sich vollkommen gesund und ertrugen tapfer die Reiseanstrengungen.
Glenarvan hoffte also, daß diese sonderbare Epidemie kein neues Opfer fordern würde.
Dies war auch Ayrton’s Ansicht, der gestand, daß ihm diese plötzlichen Todesfälle unbegreiflich seien.
Man machte sich wieder auf den Weg. Die Fußgänger ruhten sich abwechselnd im Wagen aus. Am Abend wurde, wenn man auch nur zehn Meilen zurückgelegt hatte, das Zeichen zum Halt gegeben und das Lager errichtet. Die Nacht verfloß ruhig, ohne Störung, unter einem großen Busch von Farrnkraut, zwischen denen ungeheure Fledermäuse, fliegende Füchse genannt, hin und her flatterten.
Ein Wald von Baumfarrn. (S. 446.)
Der folgende Tag, der 13. Januar, war ein guter. Die Unfälle des vorigen Tages erneuerten sich nicht, und der Gesundheitszustand der Expedition blieb ein befriedigender. Pferde und Ochsen thaten munter ihren Dienst. Der Salon Lady Helenas war sehr belebt, Dank der großen Zahl der Besucher, die ein-und ausströmten. Herr Olbinett war sehr thätig, Erfrischungen zu reichen, welche bei dreißig Grad Hitze Bedürfniß waren. Ein halbes Fäßchen Schottisch Ale wurde ganz vertilgt, und man erklärte Barklay & Comp. für den größten Mann Großbritanniens, sogar über Wellington, der niemals solch gutes Bier gebraut hatte.
Einige Blitze erleuchteten den Horizont. (S. 450.)
Ein so gut angefangener Tag schien auch gut enden zu wollen. Man hatte gute fünfzehn Meilen mitten durch ein ziemlich unebenes Land mit röthlichem Boden zurückgelegt. Alles ließ hoffen, daß man denselben Abend noch an den Ufern des Snowy übernachten würde, eines ansehnlichen Flusses, der südlich von Victoria sich in den Stillen Ocean ergießt.
Bald gruben die Räder des Wagens ihre Spuren in die weiten Strecken schwärzlichen
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