Die Kinder Paxias
dass Sayas Kontrolle über die Position der Schneide in wenige Aktionen eingeschränkt war: Entfernen oder vollständig in sein Herz versenken. Da ihr ersteres zutiefst widerstrebte, sie sich aber auch noch nicht zu dem Vollstrecker seines Todesurteils machen wollte – keine Entscheidung vor der Erklärung – intensivierte sie lediglich ein weiteres Mal den Griff um die Waffe.
Seine unerklärliche, regelrecht törichte Selbstverstümmelung machte ihn unberechenbar für das kriegerische Geschöpf.
Und auch seine Stimme war kein Spiegel seines Zustandes, nicht sie war es, die Saya endgültig ihrer Haltung beraubte und in ein Loch chaotischen Widerspruchs stürzen ließ.
Es war das, was er sagte.
„Es braucht mehr Macht, als du je besitzen wirst, um mich zu töten. Denn dafür musst du zur Mörderin Paxias und damit auch deiner selbst werden. Ich bin unsterblich – wie du.“
Ihr Gegenstück aus dem Reich des Himmels!
Sollte das Schicksal es ihr wirklich so leicht gemacht haben, ihre erste Begegnung auf dieser fremden Welt nicht nur zu einem Sagenwesen Paxias, sondern auch zu einem Auserwählten zu lenken?
Eine solche Entdeckung mutete nahezu unglaublich an und sollte doch greifbar vor ihr sein?
Durfte sie ihrer gelehrten Seite die Zügel geben und all die auf sie einstürmenden Fragen zulassen, oder musste ihr Misstrauen die Oberhand bewahren?
Unentschlossen musterte sie den Verletzten, wägte sorgsam Risiken gegen Vorteile ab und unterdrückte dabei mit nicht wenig Schwierigkeiten ihren emporkeimenden Forschergeist, der ihr einmal mehr vor Augen führte, warum sie den Status Gelehrte und nicht Kriegerin der Sternwächter inne hatte.
Aber als Gelehrte war sie ebenfalls in der Lage, ihren Verstand zu nutzen und unklugen Verhaltensweisen vorzubeugen. Dieser hielt sie schließlich davon ab, ihre Angriffsposition voreilig zu schwächen und auch nur einen Hauch von ihm abzulassen – im Gegenteil.
Mit einem perfekt gezielten Stoß verschwand ein weiteres Stück der Schneide in seinem Brustkorb – nur noch wenig trennte sie von seinem Herzen, erlaubte diesem keinen nervösen Schlag.
„Wenn das ein Trick ist, wird bald kein Zweifel mehr bestehen, ob Weisheit oder Dummheit dich zu dieser Behauptung veranlasst hat.“
Kein Zug veränderte sich in seiner Miene, seine Augen zeigten nichts anderes, als Ruhe und Furchtlosigkeit – vielleicht auch Anerkennung und etwas, dass sich als eine Spur schwarzen Humors enttarnte. Eine Art Humor, die ihr nicht fremd war und ein Echo in ihr erzeugen konnte, so sie es für angebracht hielt.
„Ich hoffe, du traust mir genug Intelligenz zu, zu wissen, dass du die Probe aufs Exempel machen wirst. Du hast deinen Verstand ausreichend unter Beweis gestellt. Solch ein Versäumnis zu begehen, würde mich in echtes Erstaunen versetzen. Also bitte. Nur zu.“
Die Einladung genügte ihr – er log nicht.
Die Situation mochte unglaublich erscheinen. Wie wahrscheinlich war es schon, dass sich zwei Unsterbliche zweier Völker trafen? Aber sie beide befanden sich in einer solchen.
Saya entspannte sich merklich, ihre Hand löste sich von dem Dolch, als sie sich aufrichtete. Der Druck ihrer Beine an seinem Körper ließ nach. Die wilde Wut in ihrem Tonfall legte sich, wenn sich auch ein schlecht versteckter Vorwurf nicht verleugnen ließ, mit dem sie ihn nun konfrontierte.
„Warum hast du mir das vorhin verschwiegen?“
Iain brachte tatsächlich ein aufrichtiges Lächeln in seinen Zügen zustande – obwohl sein Gesicht bereits jede Farbe verloren hatte und der Schweiß nunmehr nicht nur über seine Stirn, sondern seine gesamte Haut perlte, sich mit dem Blut seiner Wunde vermischte. Der rote Fleck auf seinem Hemd nahm mit jedem verstreichenden Moment bedenklichere Ausmaße an, die seine beginnende Blutarmut verrieten.
Doch Saya war weit davon entfernt, sich zu sorgen – geschweige denn einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden.
Alles zu seiner Zeit.
Passieren konnte ihm nichts Ernstes, und den Schmerz hatte er sich durch sein inakzeptables Verhalten mehr als verdient. Zunächst einmal war er ihr eine Antwort schuldig, und sie war ein ungeduldiger Charakter mit einem wilden Temperament. Diesem kam er insofern entgegen, als dass er mit der Klarstellung nicht lange auf sich warten ließ.
„Erlaube mal! Wann denn zwischen deiner Eröffnung und Colias Rauswurf?
Du musst zugeben, dass das jeglicher Realisierbarkeit entbehrte. Außerdem musst du zugeben, dass es nicht gerade ein
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