Die Kinder Paxias
dieser anbrechende Tag, Liannas Todestag werden sollte.
Drakos düsterer, tiefgründiger Charakter mit den intensiv ausgeprägten Zügen, neigte zu extremen Gefühlen – Liebe, Leidenschaft, Schmerz und Depression. Lianna war das Licht seines Lebens. Würde er noch Wert an dem Fortbestehen desselbigen sehen, wenn sein Licht erlosch?
War sein Verantwortungsgefühl ausgeprägt genug, seinen gebietenden Pflichten weiterhin nachzukommen und auch gerecht werden zu können?
Könnte er unverändert Entscheidungen zum Wohl eines Volkes treffen?
Im Leben eines Herrschers galt das Kollektiv über dem Individuum – hatte dieses Bewusstsein genug Wurzeln?
Und wenn das alles nicht der Fall sein sollte, fände das Reich in Rohel, Drakos ältestem Sohn, einen vollwertigen Nachfolger?
Gerade erst 58 Jahre alt, stand er am Anfang seiner Jugendblüte und war sich über die einstigen Pflichten kaum im Klaren – viel weiter noch von ausreichender Vorbereitung entfernt.
Lerneifer, Übermut, Flirt und Sport umkreisten als fester Mittelpunkt sein gegenwärtiges Dasein.
Der Ernst des Lebens würde ihn wie eine Sturmflut verschlingen, die mächtige Verantwortung und Herrschgewalt über seiner unwissenden Hilflosigkeit zusammenschlagen.
Nein, er war noch viele Jahre und Jahrzehnte angewiesen auf die verständnisvoll lenkende Unterstützung eines Vaters und die fürsorgliche, sanft umschließende Nestwärme einer Mutter.
Der Sonnenaufgang, der rötliche Lichter über die hohen Berggipfel in der Ferne warf und die Flüsse und Seen in weißgolden aufstrahlende Funkenflut verwandelte, brachte Iain keine Erlösung von seinen schmerzvollen Grübeleien. Keine Wolke der dumpfen Nacht, störte das violette Licht am Horizont – alle Anzeichen deuteten auf einen ungetrübten Tag, aber die schwarze Schlinge um sein Herz vermochten sie nicht zu sprengen.
Und doch war er nicht in der Lage, seinen Blick von dieser Beobachtung der Geburt eines neuen Morgens abzuwenden, als wäre Erlösung durch diesen zu erwarten.
Iain spürte wie Erschöpfung in seinem Körper schleichenden Tribut forderte. Müde rieb er sich den Nacken, dessen Verspannung in seinem Kopf dröhnenden Widerhall erzeugte. Auch seine anderen Glieder wollten sich nicht so recht seinem Körper zugehörig fühlen. Der abgebrochene Kampf mit Saya hatte seine Kräfte bereits beträchtlich in die Reserve gedrängt, und nun, nach dieser durchwachten Nacht der Angst, Trauer und unendlichen Sorge, fühlte er sich in einem Stadium der Verausgabung, die keine Müdigkeit mehr erlaubte.
Es war auch die stumpfe Taubheit in seinem Innern, die ihm erst nach dem vernehmlichen Zuschlagen der Tür und den folgenden, hölzern begleiteten Schritten in sein Bewusstsein brachte, dass sein Bruder und er nicht länger allein waren.
Zeitgleich mit dem langsamen Aufrichten seines Bruders, wandte er sich um.
Steifer Haltung und blassen Gesichtes warteten sie mit regungsloser Miene auf das Verkünden einer Botschaft, deren Inhalt die Entscheidung über die Zukunft eines Volkes bedeutete.
Saya konnte sich nicht daran erinnern, jemals zuvor in ihrem Leben eine solche Leere verspürt zu haben. Sie fühlte sich unglaublich müde, ersehnte sich nichts mehr, als ein einsames Ruhelager und einen traumlosen, heilenden Tiefschlaf, der sie den vergangenen zehrenden Kampf gegen den Tod in die hintersten Regionen ihres Gedächtnisses verdrängen ließ. Sie hoffte in stiller Wut über ihre mangelnde physische Konzentration, niemand merkte ihr an, wie schwer sie ihren Körper auf den hilfreichen Stab stütze.
In all den Jahren ihrer Ausbildung zur Gelehrten, war ihr Geist niemals gefordert worden, in notgetriebener Eile Synapsen bilden zu müssen, die ihr ermöglichten, all ihr diffuses Wissen anzuwenden und darüber hinaus, zu neuen schlussfolgernden Informationen zu verarbeiten, zu speichern und zu nutzen. Aber genau jenes galt für die eben gewonnenen Erfahrungen.
So sehr die Erlebnisse der Nacht ihre absolute Kontrolle über Geist und Körper erfordert hatten, so sehr drohte ihr, nun wo alles zu einem endgültigen Abschluss kam, diese zu versagen.
Regeneration – ein Begriff, der perfekt ausdrückte, was sie nötig brauchte. Doch galt es eine letzte Aufgabe zu erledigen.
Den Kenntnisstand der Angehörigen zu aktualisieren.
Sie hätte die Nachrichtenübergabe bevorzugt Colia überlassen, aber die Medizinerin war mit ihrer Beschäftigung noch eine ganze Weile in Anspruch genommen, obwohl Saya diese als
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