Die Kinder Paxias
Paxias, auf einem kleinen Stapel weiterer Leinenwäsche lag. Nadel und Faden warf sie in eine kleine Schale, in die sie den Rest aus der Flasche Alkoholdestillat gegeben hatte. Beiläufig erklärte sie der Medizinerin währenddessen ihr Vorhaben.
„Ich verstehe nichts von Geburtshilfe, Colia, aber ich weiß, wie man etwas aus einem Körper schneidet, ohne denjenigen umzubringen.
Und ich weiß, wie man einen Fötus lebensfähig aus dem Mutterleib holt. Diese Methode wird bei meinem Volk angewandt, das Baby einer verendeten Frau herauszuholen, ohne einen wirklichen Geburtsvorgang dabei zu erzeugen.
Ich will versuchen die beiden Techniken miteinander zu verbinden, um auf diese Weise beide zu retten.
Das Risiko ist erheblich.“
„Es ist die einzige Chance, die ich sehe, Gelehrte Saya. Werdet Ihr meine Hilfe brauchen?“, Colias Stimme war erstaunlich nüchtern, doch in ihren Augen stand klar erkennbar der Hoffnungsschimmer – Sayas Entscheidung bekräftigend und stärkend.
„Ihr seid die Kräuterkundige, Colia. Narkotika existieren in meinem Reich nicht.
Ich kann zwar einen Eingriff an Lianna durchführen, glaube aber nicht, dass sie den dabei entstehenden Schmerzen gewachsen sein wird.
Mischt ihr ein Schlafmittel, sorgt für ihre Bewusstlosigkeit und lasst ihr Schmerzempfinden ab dem unteren Bauchabschnitt für einige Stunden verschwinden.“
„Das ist keine Schwierigkeit. Ich habe alle Zutaten hier“, eilig schritt Colia zu dem Tisch neben dem Kamin, auf dem ihre Kräuter und Mixturen aufgereiht standen. Sie füllte eine zähflüssige Masse aus einer hohen Flasche in ein Reagenzglas, ergänzte diese durch verschiedene Pulver und machte es mit abgekochtem Wasser trinkbar.
Saya erhielt die kurze Anweisung, den entstandenen Inhalt des Glases Lianna einzuflößen – restlos. Sie selbst griff nach einem kleinen Leinentuch und einer schillernden blauen Flasche und kehrte ebenfalls an das Bett der Leidenden zurück, um zu beobachten, wie Lianna willenlos alles über sich ergehen ließ, was Saya ihr abverlangte. Ihr Geist weilte unverändert tief in einer fernen Realität, wie ihr leises qualvolles Murmeln verriet, welches nach einer lang verstorbenen Mutter verlangte.
Colia entfernte behutsam das Kissen unter ihrem Kopf. Lianna lag nun ganz flach, eine Voraussetzung, die die Medizinerin für ihr Vorhaben benötigte. Sie legte das schmale Leinentuch über Nase und Mund der Regentin und träufelte vorsichtig ein winziges Quantum scharf riechender Flüssigkeit aus der blauen Flasche auf das Tuch.
Saya verfolgte interessiert die Arbeit der Heilerin. Sie lehnte zwar jede Form von Rausch, Bewusstseinstrübung, künstlicher Lähmung, Betäubung oder anderer, wider den Naturzustand agierender Beeinflussung für sich ab. Doch sie konnte die Nützlichkeit selbiger nicht bestreiten und hatte auch bereits einige grundlegende Unterweisungen von Colia eingefordert.
Mit steigernder Ungeduld bemerkte sie endlich, wie sich die Lider flatternd über Liannas Augen schlossen und sie in eine flache aber regelmäßige Atmung verfiel. Colia tastete nach dem Puls der Regentin. Sie nickte langsam.
„Sie schläft tief. Ihr könnt beginnen.“
„Paxia sei mit uns“, Sayas Stoßgebet war ihr letztes Zögern, es galt nun keine lebenswichtige Zeit zu verlieren. Ihre führende Hand arbeitete präzise, als sie den fingerbreiten Schnitt in Liannas Unterbauch ansetzte und mit einem raschen, ruhigen Ruck entlang der Blutgefäße und Muskelstränge, die Öffnung auf ein Vielfaches erweiterte.
Die Zeit verging nervenaufreibend langsam.
Iain wanderte ein um das andere Mal unruhig vor dem Schreibtisch des Herrschers auf und ab.
Die Schmerzen in seinem verletzten, nur notdürftig verbundenen Fuß spürte er kaum. Zu der Sorge um seine Schwägerin, schlich sich auch die Angst um seinen Bruder in seine Gedankenwelt, die von den dunklen Schatten über dem Schicksal der beiden geliebten Wesen, in einen bedrohlichen Pessimismus getrieben wurde.
Drako verharrte seit Sayas Weggang regungslos in seiner verzweifelt vergrabenen Pose, ohne dass Iain einen Zugang zu ihm hatte finden können, mit der Intention Trost zu spenden, Leid zu teilen. Er konnte den instabilen Geisteszustand seines Bruders nur erahnen, solange ihm der gefühlsoffenbarende Blick in seine Augen verwehrt wurde.
Iain wagte es nicht, die sich in seinem Kopf formenden Bilder zu fixieren. Verschwommene Vorstellungen von dem zukünftigen Geschehen und Ergehen des Reiches, wenn
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