Die Kinder Paxias
war, nachdem unser Vater so plötzlich verstorben war.
Ich war noch unverheiratet, eine Tatsache, die niemals zuvor in der Geschichte unseres Reiches seit Chronikschreibung existiert hatte.“
Iain nickte langsam. Nur zu gut lebten die Bilder in seinem Kopf, wie sein Bruder von Beratern, Mutter und Geschwistern geradezu verfolgt worden war. Stets bei ihnen waren Kandidatinnen gewesen, geeignet, die Herrschaft mit ihm zu teilen. Es war eine regelrechte Belagerung gewesen. Einzig er hatte Drako verständnisvoll in seiner Not beigestanden und war deshalb in sein Geheimnis eingeweiht worden.
Schon vor dem Tod des damaligen Herrschers, hatte Drako sein Herz und seine Seele an ein reizendes, fröhliches Kind mit langen blonden Zöpfen und einem strahlenden Lächeln vergeben. Er wusste, Drakos ganze Sehnsucht hatte dem Tag gegolten, da dieses Kind in seiner Fruchtbarkeitszeremonie als Frau anerkannt wurde und bereit für eine Vereinigung war – in der tiefen Hoffnung, dass er der erwählte Partner dazu werden würde.
„Zehn Jahre! Zehn Jahre Geduld! Zehn Jahre Willensstärke! Zehn Jahre Resistenz gegen ständigen Widerspruch und Einmischung!
Zehn Jahre hat mich die Erringung Liannas gekostet, und das Glück, was sie mir schenkte, war unaussprechlich. Ich kann es nicht ertragen, wenn sie mir nach so kurzer Zeit wieder genommen wird.“
Das tiefe Leid in Drakos Stimme berührte Iain sehr. Er legte seine Hand auf die sonst so kraftausstrahlende Schulter, suchte nach Worten des Trostes. Auch er liebte Lianna von Herzen. Sie war das Band, welches sich schützend und bewahrend um die innige Beziehung zu seinem Bruder gewunden hatte. Sie war der Grundstein alles Guten zwischen Drako und ihm.
„Bruder,.....“
Die Tür hinter ihnen landete krachend an der Wand. Erschrocken blickten die beiden Männer sich an, wandten sich erst dann zögernd vor unterdrückter Angst und rasendem Herzen um.
Saya stand unmittelbar vor ihnen. Ihr Blick war fest auf den Herrscher gerichtet, in einem gebietenden Ausdruck, der keinen Widerspruch duldete. In ihrem Sturmschritt hatte sie nicht auf die korrekte Verwendung ihres stützenden Stabes geachtet – verschwendete Zeit. Nun strafte sie ihr schmerzhaft pochendes Bein mit Nichtachtung. Ihr Entschluss zur Hilfe – einmal gefasst – ließ keinen Raum für Rücksicht auf den eigenen Zustand, denn kein Opfer ihrerseits bedeutete eine Entscheidung um Leben und Tod.
„Es bleibt keine Zeit für lange Erklärungen, Herrscher Drako, schnelles Handeln wird verlangt. Ich verspreche, Colia und ich werden unser ganzes Wissen einsetzen, um zu helfen.
Bitte gebt uns Anweisungen für den Ernstfall: Ist Euch das Leben Eurer Gemahlin wertvoller, oder das Eures ungeborenen Kindes?“
Drakos Antwort erfolgte ohne pflichtbewusstes Zaudern.
„Erhaltet Lianna, ich flehe Euch an!“
Ein Hauch eines Lächelns flog über Sayas Züge, doch es hätte auch Einbildung sein können.
„Ich ahnte Eure erwidernden Worte. Betet zu Paxia, dass die Alternative das Überleben beider bedeutet.“
Diese Worte begleiteten ihren Abgang. Drako warf sich laut aufstöhnend in seinen Stuhl und presste seinen Kopf in die, auf der Tischplatte verschränkten Arme.
„Vergib mir Lianna, ich weiß, deine Entscheidung wäre anders ausgefallen.“
Iain wagte gegen den verzweifelt gepressten Ausruf keinen Einspruch wider besseren Wissens, umschlang nur den zitternden Körper seines Bruders in einer Hilfe spendenden Umarmung.
„Wenn in dem Kessel kochendes Wasser ist, bringt es her, Colia, ansonsten besorgt welches, ebenso Nadel und Faden!“, mit dieser knappen Anweisung kehrte Saya zurück an Liannas Lager. Sie warf den Stab in eine Ecke und begann sich die Bluse unter dem Überkleid vom Leib zu reißen, damit ihrem gewagten Vorhaben nichts in den Weg geraten konnte.
Die Angesprochene sprang eilig auf, beeilte sich der Gelehrten Folge zu leisten.
„Es ist kochendes Wasser.“
Saya entdeckte einen Krug frischen Wassers und eine Flasche Alkoholdestillat, das Colia zur Konservierung bestimmter Kräutermischungen verwendete, oder Pasten damit anrührte.
Sie nutzte beides ihre Hände und Unterarme einer gründlichen Reinigung zu unterziehen. Ihren Dolch tauchte sie geraume Zeit in den herbei geschleppten Kessel, unter dessen Last Colia ins Keuchen geraten war. Danach legte sie ihn, sorgsam bedacht, die sterilisierte Klinge nicht zu berühren, auf ein sauberes Handtuch, welches bereit zur Aufnahme eines neuen Abkömmlings
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