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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Düsternis. Eine mächtige Gestalt von rußiger Schwärze, erfüllt von einer Kraft, die weit über menschliche Stärke hinausging. Einst hatte Govannon auf seinem Amboss das Schicksal der Welt geschmiedet. Doch nun hingen seine mächtigen Arme schlaff herab, und seine gewaltige Kraft nützte ihm nichts.
    In seinem Schatten kauerte eine weitere Gestalt. Die Flamme seines Geistes flackerte nur noch matt. In strahlendem Glanz war Gilvaethwy über die Felder geschritten, als er der Welt noch Freude und Fruchtbarkeit gespendet hatte. Jetzt war er ausgebrannt und leer.
    »Wo sind wir hier, Merlin?«
    Er überlegte. Es fiel ihm schwer, seine Gedanken in Worte zu fassen, aber schließlich überwand er sich doch und sagte: »Wir sind in Annwn.«
    Sie hatten einen gewaltigen Kampf gekämpft, Arthur und seine Krieger. Nachdem das gute Schiff Prydwen sie an das Ziel ihrer Reise getragen hatte, über Meere, die kein von Menschenhand gebautes Schiff überstanden, und auf Wegen, die kein irdischer Pilot je gefunden hätte, hatten sie sich an jenem fremden Ufer zur Schlacht formiert. Banner hatten im Wind geweht, der aus dem Abgrund heraufzog. Helme und Lanzenspitzen blitzten im letzten Licht der Sommersterne. Dann waren sie in die Dunkelheit hineinmarschiert.
    Mutig waren die Krieger Arthurs gewesen, die gegen Caer Siddi zogen. Doch ihr ganzer Heldenmut war vergebens gegen die Schatten, die in der Finsternis lauerten. Gegen die Hunde, die nicht mit Fängen und Klauen, sondern mit dem Geist töteten. Gegen die noch größeren Schrecken, die jedes menschliche Begreifen überstiegen.
    Am Ende waren nur noch sie übrig geblieben. Nur noch die sechs, in denen jener unsterbliche Funke brannte, welcher das Erbe einer anderen Zeit war, als die Götter noch unter den Sterblichen wandelten.
    Dylan, Govannon, Gilvaethwy. Arthur. Und er.
    Und da war noch einer, der sich in den Schatten verborgen hielt …
    »Und wie geht es jetzt weiter?«
    Wieder antwortete er nicht sogleich. Doch die Wahrheit ließ sich nicht verschweigen, nicht hier, am Ende aller Dinge. »Es geht nicht mehr weiter. Wir werden hier bleiben, eingemauert in diesem Grab, bis in alle Ewigkeit.«
    »Aber es muss doch einen Ausweg geben!« Verzweiflung schwang in diesen Worten.
    »Nur die Schätze der Anderswelt besitzen Macht gegen das Dunkel von Annwn. Und solange Arawn, der Herr von Annwn, sie in seinem Besitz hat, wird das Dunkel am Ende siegen.«
    »Aber …«
    Und plötzlich wurde er von einem Staunen erfüllt, einer nie gekannten Bewunderung für diese kleinen, schwächlichen Menschen, die nicht einmal dann aufgaben, wenn alles hoffnungslos geworden war. Denn dies war eine Fähigkeit, die er selbst in Tausenden von Wiedergeburten, in all seinen Rollen und Verkörperungen nie erlangt hatte. Stets war er ein Herr des Schicksals gewesen, aber zugleich sein Sklave. Niemals hätte er gewagt, ja, es wäre ihm nie auch nur in den Sinn gekommen, gegen das aufzubegehren, was unvermeidlich war.
    »… hörst du es nicht? Das Echo?«
    »Es ist nur der Hall, der aus dem Abgrund kommt.«
    »Nein, es klingt wie ein Gesang.«
    Und da hörte er es auch. Fern, fern durch mächtige Schichten von gewachsenem Fels drang es, so leise, dass man es kaum vernehmen konnte, und doch mit einer Klarheit, dass man jedes einzelne Wort verstand.
    »Über die Spitzen der Wellen schwimmt
Manawyddans Schiff, die Wipfel erklimmend;
ein Wald von fruchtbaren Bäumen
liegt unter dem Bug meines kleinen Bootes.«
    Lauter und lauter drang es her, ein süßer Klang, der die Dunkelheit erfüllte.
    »Von meinem Stand am hohen Bug
wie von den Zinnen einer bewehrten Stadt
seh ich die Bäume und Pflanzen
in die Schlacht eilen.«
    Zu dem Klang des Liedes mischten sich andere Geräusche: ein Knacken, Knistern und Knarzen, als wühlten sich Wurzeln in widerspenstiges Erdreich, spalteten Felsgrund, zerbrachen Gestein. Näher und lauter schrillte das Lied, untermalt von einem kriegerischen Dröhnen wie von Sackpfeifen:
    »Die Erlen in der ersten Reihe
beginnen mit dem Gemetzel;
Weide und Eberesche
treten danach in die Schlachtreihe.
    Die Steineiche, dunkelgrün,
hält entschlossen stand;
sie ist bewaffnet mit vielen Speerspitzen,
die die Hand verwunden.
    Unter den stampfenden Füßen der schnellen Eiche
dröhnen Himmel und Erde;
mannhafter Wächter der Pforte
heißt ihr Name in allen Sprachen.
    Groß ist der Stechginster in der Schlacht
und der Efeu in seiner Blüte;
der Haselstrauch ist Schiedsrichter
in dieser

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