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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Runde, aber es genügte dem Zweck. An dieser Tafel gab es kein Oben und kein Unten. Hier waren alle gleich.
    Sozusagen. Natürlich gab es da immer noch den Thronsitz am Kopfende der Halle. Es war nicht nur der geschnitzte Sessel mit der hohen Rückenlehne, der diesen Platz vor den anderen auszeichnete. Auch die Kleidung dessen, der darauf saß, war besonders prächtig: gewirkter Brokat, ein samtener Mantel, ein goldener Reif um die Stirn. Dieser schwarz gelockte Mann war gewiss von edlem Geblüt.
    Der Fremde ging zielstrebig darauf zu, dann zögerte er. Die Ritter der Tafelrunde grinsten in sich hinein. Wenn dies ein Spiel war, dann wollten sie auch ihren Spaß daran haben. Nur der Mann auf dem Thron grinste nicht mehr. Eine steile Falte war zwischen seinen Brauen erschienen. Der Fremde lächelte. Er hatte die Regeln des Spiels begriffen. Er sollte glauben, dass dies der König sei. Sein Blick glitt über die Runde.
    In diesem Augenblick brach die Sonne durch eines der hohen Fenster des Chores und fiel auf die Gestalt, die neben dem Thron im Schatten saß. Gold glitzerte an Hals und Armgelenken. Doch der metallene Glanz war nichts gegen das Gold des blond gelockten Haares, das den Sonnenschein einfing.
    Er hob den Kopf. Ihre Blicke trafen sich. Und in diesem Blickwechsel ging etwas zwischen ihnen hin und her, ein Erkennen, ja, fast ein Erschrecken, als hätten sie sich schon ewig gekannt, in vielen Leben und vielen Gestalten. Der Fremde beugte das Knie.
    »Du bist Arthur!«
    Arthur lachte. »Hab ich es dir nicht gesagt, Mordred«, wandte er sich an den Mann auf dem Thron, »dass er auf den Trick nicht reinfallen wird? Und woran hast du mich erkannt, Fremder?«
    »Ich sehe, dass du der wahre König bist. Ich sehe es an dem Licht, das dich umgibt.«
    Mordred runzelte missmutig die Stirn. »Er hat Euch wahrscheinlich an Eurem Schwert erkannt«, meinte er, »oder er hat gehört, dass Ihr blond seid.«
    Doch Arthur ließ sich davon nicht beirren. »Steh auf, bitte, steh auf! Wie ist dein Name?«
    Der andere antwortete nicht gleich. Ein wenig unsicher blickte er in der Halle umher, auf der Suche nach einem vertrauten Gesicht.
    »Du musst mir deinen Namen nennen, damit ich weiß, wie ich dich anreden soll.«
    Er blickte auf. Arthur sah ihn immer noch an, jetzt ebenfalls mit einer steilen Falte zwischen den Augenbrauen.
    »Lancelot«, sagte er rasch. »Lancelot du lac.«
    »Und was willst du hier, Lancelot?«
    Er überlegte fieberhaft. »Den Speer«, sagte er. »Den Speer will ich in deine Dienste stellen.«
    Ein Raunen ging durch die Übrigen, die in der Halle versammelt waren, unterbrochen von leisen Bemerkungen und hier und da Gelächter.
    »Es ist gewiss eine interessante Waffe«, meinte Mordred mit einem zynischen Lächeln, »aber waffentechnisch betrachtet, ist sie nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand.«
    »Es ist ein Speer«, sagte er mit klarer Stimme, »der alles durchdringt. Unter den Waffen dieser Welt kommt keine ihm gleich.«
    In diesem Augenblick war es, als sei ein Wunder aus einer anderen Welt in die Halle eingekehrt.
    »Wo dieser Speer herkommt«, fuhr Lancelot fort, »da gibt es noch andere wunderbare Dinge: Ein Schwert, das Wunden schlägt, die niemals heilen. Einen Stein, in dem Macht über das Schicksal liegt. Einen Kelch, der allen, die daraus trinken, Frieden bringt …«
    Aber Arthur hörte schon gar nicht mehr hin. Der Gedanke an das Schwert hatte etwas in ihm geweckt, das er längst vergessen geglaubt hatte.
    Eine Szene im Wald.
    Ein Schwert, das aus einem Stein gezogen wird.
    »Dieses Schwert«, sagt eine Stimme, »ist nur ein Zeichen …«
    »Kennst du diesen Ort?«, fragte er begierig. »Weißt du, wie man dorthin kommt?«
    »Ich kenne ihn«, ertönte eine Stimme aus dem Dunkel des Querschiffs. Ein Mann trat unter den Arkaden hervor. Er trug einen blauen Mantel, und sein Haar war grau, ebenso wie sein schütterer Bart. »Es ist der Ort des Grals, und ich weiß ein Schiff, das uns dorthin bringen kann, dich und all deine Männer.«
    Mit raschen Schritten war er heran. Und wie sie so nebeneinander standen, der Fremde mit dem Speer und der alte Mann, der eine in der Blüte der Jugend und der andere mit den gegerbten Zügen des Alters, waren sie einander so ähnlich, dass man sie für Vater und Sohn hätte halten können.
    Und Arthur erschien es, als wäre dies ein Moment, auf den er sein ganzes Leben lang gewartet hatte.
    »Ja! Lasst uns dorthin fahren! Lasst uns den Heiligen Gral suchen! Gleich

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