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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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verzauberten Zeit.
    Ungehobelt und wild ist die Tanne,
grausam der Eschenbaum,
weicht keinen Fußbreit zur Seite,
zielt direkt auf das Herz …«
    Und so ging es weiter und weiter. Von der edlen Birke sang der Sänger und dem Trost spendenden Heidekraut, von dem zornigen Weinstock, dem Schwarz- und dem Weißdorn mit ihren üblen Dornen, von der finsteren Eibe und dem Holunder, der langsam brennt inmitten sengender Feuer. Und während der ganzen Zeit nahm das Krachen und Bersten an Stärke zu. Erde rieselte herab, fiel auf die aufwärts gewandten Gesichter derer, die in der Dunkelheit warteten. Ein Riss öffnete sich; Glanz strömte herein, erfüllte eine Finsternis, die nie ein Licht erblickt hatte. Die Leiber der Gefangenen waren von grauem Staub bedeckt; wie Tote, die aus den Gräbern steigen, drängten sie zur Quelle des Lichts. Lachend stieg der Herr des Lichts hinab in die Tiefe.
    »Aber ich, wenngleich verachtet,
weil ich zu spät zur Schlacht kam,
kämpfte, ihr Bäume, in euren Reihen
auf dem Feld von Caer Siddi.«
    Der Speer in seiner Hand flammte im Sonnenlicht. Der Schimmer pflanzte sich fort über den grünen Schaft. Grün nickte Gesträuch von den Rändern der Kluft, die sich in den Felsen aufgetan hatte, gegen den tiefblauen Sommerhimmel.
    »Lancelot!«, rief Arthur mit erstickter Stimme. »Wie hast du uns gefunden? Und was bringst du für ein Heer?«
    Der junge Krieger mit dem wunderbaren Speer lachte. Sonne funkelte in seinen Augen. »Bin ich nicht der Löwe mit der sicheren Hand, der mit dem langen Arm, mit dem schrecklich schnellen Griff? Im Baum hing ich, ein Teil des Baumes bin ich, Meister all dessen, was grünt. Seht, die Bäume und Sträucher ziehen mit mir in den Kampf; gegen die Macht des lebenden Holzes, das mein Speer verkörpert, hat selbst der Schatten keine Gewalt.«
    »Dies ist ein Wunder über alle Wunder«, sagte der, den sie Merlin nannten, und seine Augen waren voller Tränen.
    »Und jetzt kommt«, sprach Llew Llaw Gyffes. »Manawyddan, mein Ziehvater, wartet auf uns mit seinem magischen Boot. Er wird uns heimbringen.«
    »Nein«, sagte Merlin.
    Alle drehten sich zu ihm und starrten ihn an.
    »Habt ihr vergessen, weshalb wir hergekommen sind?«, fuhr er beschwörend fort. »Der Schatz Annwns ist ganz nah; ich spüre es. Wir müssen ihn finden. Sonst wären alle Opfer vergebens gewesen.«
    »Der Gral …«, sagte Arthur, mit einer Stimme wie im Traum. »Wo ist er?«
    »Dort!« Merlin wandte sich um. Jetzt sah man in den Tiefen der unterirdischen Gewölbe, dort, wo die Schatten am tiefsten gewesen waren, einen Gang, der ins Innere des Felsens führte. »Die Zeit drängt.«
    »Dann lasst mich vorangehen«, sprach Llew. »Dies ist meine Aufgabe. Dazu bin ich in die Welt gekommen, um Licht ins Dunkel zu bringen.«
    Ohne ein weiteres Wort setzte er sich an ihre Spitze. Der Speer in seiner Hand gab immer noch einen matten Schimmer von sich, als sei etwas von dem Sonnenlicht der Oberwelt darin eingefangen. So gingen sie, obwohl es finster war, in dem eigenen Licht, das mit ihnen war.
    Es war still hier unten. Nichts rührte sich, kein lebendes Wesen, nicht einmal ein Schatten. Der Gang führte sie tiefer und tiefer ins Innere. Dann öffnete er sich in eine runde, aus dem Fels gehauene Kammer.
    Hinter vier hohen Fenstern an den Seiten flackerte Finsternis.
    Im Zentrum des Raumes erhob sich eine Art Altar mit einem Bild aus vielen einzelnen Teilen. Obwohl es sich zu einem Ganzen zusammenfügte, ergab es doch keinen Sinn; es schien etwas darzustellen, das noch nicht existierte oder das es vielleicht nie geben würde. Vor dem Altar war ein runder Tisch aus Stein. In diesen Stein war ein Schwert getrieben; seine Klinge blinkte. Und über dem Schwert hing, frei in der Luft schwebend, ein Kelch. Er drehte sich langsam. Der Stein, der in seinen Knauf eingelassen war, funkelte in der Düsternis wie ein schwarzer Diamant.
    Merlin trat darauf zu. Er streckte die Hand nach dem Kelch aus. Seine Finger öffneten sich, um nach dem Gefäß zu greifen – und hielten plötzlich inne.
    Etwas glitt aus der Dunkelheit hinter dem Altar, eine Schwärze tiefer als selbst die Dunkelheit von Annwn, die sie umgab. Einem Menschen war sie gleich, doch gehörnt wie ein Tier, mit einem mächtigen Geweih. Ihr Mantel breitete sich aus wie ein Paar riesiger Schwingen, deren Schatten alles auslöschte, Verstand und Wissen, Geist und Leben.
    Wohin immer du gehst, Sohn der Göttin, sagte eine Stimme aus dem Herz der

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