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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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kleiner Umweg. Bitte!«
    Der Drache quittierte die Bitte mit einem unwilligen Fauchen, kam ihr dann aber doch nach. Wieder schwenkte der riesige Leib, diesmal zur anderen Seite. Inzwischen waren sie schon ein Stück weiter südwärts die Küste hinunter. Es musste gar nicht so einfach sein für ein Wesen von solcher Größe, seinen Flug so präzise zu steuern.
    »Da«, sagte Siggi. »Da ist der Drachenpfad!«
    Unter ihnen kam die Küste rasch näher. Dort, wo der Brandungsstreifen eine Lücke aufwies, da musste die Grotte mit den drei alten Hexen sein. Ob sie noch da waren? Aber selbst wenn sie immer noch dort unten in der Dunkelheit um ihren Kessel hockten, so hätte man den Fels mit den Blicken durchdringen müssen, um sie zu sehen. Doch die Verwerfung im Fels, die von hier ins Landesinnere wies, war auch von oben deutlich zu erkennen. Darunter zog sich der Pfad entlang, den sie gegangen waren. Der Pfad nach Dinas Emrys.
    »Da!«, rief Siggi.
    Etwas regte sich auf dem Grunde des Tales. Etwas Großes, Rotes. Langsam, schwerfällig, entrollte es sich. Ein langer Hals schwenkte herauf. Ein Grollen, wie aus einem tiefen Schacht, ließ die Erde erzittern. Ein Flackern, das aufglühte und erlosch: ein letztes Fanal, mit dem der Rote Drache den begrüßte, auf dessen Erscheinen er gewartet hatte.
    Der Weiße Drache hing in der Luft, von seinen Flügelschlägen gehalten. In diesem Augenblick flammte fern im Osten, hinter den Bergen, die Sonne auf und vergoldete seine Gestalt. Groß und leuchtend hing er da, und das Licht, das von ihm eingefangen wurde, strahlte zurück in das Tal und erfüllte alle Winkel mit Glanz.
    Der Rote Drache am Grunde des Tales senkte den Kopf auf die Erde. Sein mächtiger Leib zuckte noch einmal. Dann brach das Licht in seinen Augen, und er lag still.
    Feuersglut strömte hinab. Was als ein letztes Aufbäumen aus dem Schlund des sterbenden Roten gekommen war, ein Zeichen dessen, was er einmal gewesen war, fauchte nun mit weit größerer Macht aus dem Rachen des wiedergeborenen Weißen hinab: eine Macht, der nichts auf der Welt widerstehen konnte. In der Tiefe des Tales bildete sich ein Riss. Donner grollte. Felsen stürzten. Die Erde öffnete sich und nahm den Leib des Drachen, der vor Urzeiten aus ihr hervorgegangen war, wieder in sich auf, um ihn an ihrem feurigen Herzen zu bergen.
    »Jetzt kann er in Frieden schlafen«, sagte Siggi.
    Über dem Tal lag eine Wolke aus Staub. Der Weiße Drache warf sich der Sonne entgegen. Dann drehte er sich in der Luft und schoss davon, in die Richtung, aus der er gekommen war, gen Westen, übers Meer.
    Jetzt zeigte er, welche gewaltige Kraft wirklich in ihm steckte. Den Reitern auf seinem Rücken verging Hören und Sehen. Nur noch der Wind war in ihren Ohren. Die Augen hatten sie zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen. Siggis und Hagens Umhänge knatterten in der Brise. Hagen hielt den Speer krampfhaft umklammert, während er mit der anderen Hand nach Halt suchte. Gunhild fasste nach dem Kelch in ihrem Gürtel; er war immer noch da, was allein schon an ein Wunder grenzte. Nur Siggi strahlte mit der Sonne um die Wette.
    »He! Das ist irre! Das habe ich mir immer gewünscht!«
    Die Sonne hatte die letzten Wolken über der Küste vertrieben, und ihre Wärme gleißte auf den Wellen, über die der Drache dahinjagte. Rot stand der Mond im Westen über dem Meer, von der Glut der Sonne erleuchtet. Und hoch oben, am Scheitelpunkt des Himmels, leuchteten, mehr zu ahnen als zu sehen, die Sommersterne.
    Mit nichts war dieser Flug zu vergleichen, der sie von den von Menschen bewohnten Ländern wegführte zu den fernen Regionen, die selbst in dieser Welt und Zeit schon in das Reich der Legende entglitten waren. Doch irgendwann musste auch er enden. Der Flügelschlag des Drachen wurde langsamer. Siggi wagte einen Blick und sah tief unter sich die Inseln liegen, golden in der blaugrünen Flut. Schon sah man die weißen Türme über die Baumwipfel ragen. Der Drache setzte zur Landung an. Der Schlag seiner Schwingen peitschte die Blätter empor. Der Grund kam mit einer Schnelligkeit auf sie zu wie bei einem Stein, der zu Boden fällt. Doch sanft setzte der Drache auf.
    Der Weiße Drache neigte seinen langen, geschuppten Hals zu Boden. Absteigen, hieß das wohl. Mit steifen Gliedmaßen, die Augen immer noch halb blind von Tränen, kletterten sie hinab: Gunhild ging als Erste, gefolgt von Hagen und Siggi.
    Der Drache hob den Kopf und blickte Siggi an. In seinen Augen lag etwas,

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