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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Frauen nieder und nahm ihre Hände.
    »Großmutter, dies ist nicht der Kessel der Göttin, nicht wahr?«
    Die Alte richtete ihr Gesicht empor. Aus ihren blicklosen Augenhöhlen drangen Tränen. »Das war ein schöner Kessel, nicht wahr, mein Täubchen. Aber er ist fort, oh! Du hast darin gekocht?«
    »Das ist eine sehr lange Zeit her«, sagte Gunhild.
    »Und was kocht man in diesem Kessel, weißt du es?«
    »Den Sturm, Großmutter.«
    »He-he-he!«, meckerte Orddu, und Orwen fiel ein, und auch Orgoch kam über die Steine herangekrabbelt, sich blind den Weg ertastend. Gunhild musste unwillkürlich ebenfalls lächeln. So wie sie da stand, im trauten Einvernehmen, sahen sie aus wie drei alte Hexen und eine junge.
    Gunhild blickte auf. »Gib ihr das Auge zurück, Merlin.« Der Alte zögerte.
    »Ich wäre damit etwas vorsichtig«, meinte Hagen. »Wer weiß, was sie noch aushecken.«
    Aber Siggi, der sah, wie Gunhild die Lage unter Kontrolle hatte, sagte ebenfalls: »Gib es ihr zurück. Sie kann uns jetzt nicht mehr schaden.«
    Merlin drückte der Alten das Auge in die Hand. Die steckte es sich gleich zwischen die faltigen Augenlider. Das Auge erwachte zum Leben.
    »Eine schöne Maid«, sagte Orddu, mit einem Blick auf Gunhild. »Aber nicht mehr ganz jungfräulich, nicht wahr?« Gunhild war so überrascht, dass sie rot wurde. Doch die Alte ging gleich darüber hinweg. »Und der kleine Gwion. Grau ist er geworden.«
    »Lass mich sehn, lass mich sehn!«, drängelte Orwen. Orddu pulte sich das Auge heraus und gab es ihrer Schwester. Die rollte es einen Moment unschlüssig zwischen den Fingern, dann stopfte sie es sich in die rechte – die richtige – Seite. Das Auge rollte herum, bis sie sah. »Oh«, sagte sie, »du hast Recht, Schwester. Alt und grau. Aber nicht so alt wie wir«, fügte sie hinzu und kicherte.
    »Ich auch, ich auch«, meldete sich Orgoch, die Dritte im Bunde und grabschte nach dem Auge. Orwen bekam ihre Hand zu fassen. Es gab ein Gerangel auf dem Boden.
    Gunhild stand auf. »Sie waren nicht immer so, nicht wahr?«, sagte sie zu Merlin.
    Dieser seufzte. »Nein«, sagte er dann. »Alt waren sie immer schon, glaube ich. Und ein bisschen seltsam. Sie haben mich gefunden, als man mich nach meiner Geburt verstieß. Damals konnte ich noch nicht richtig ›Gwydion‹ sagen. Darum nennen sie mich Gwion.«
    Hagen starrte ihn an, als sähe er ihn plötzlich mit ganz anderen Augen. Aber es war Siggi, der das Wort ergriff: »Und du bist wirklich als Kind in den Zaubertrank gefallen wie Obelix?«
    Der Alte runzelte die Stirn. »Wer? In den Kessel hat Orgoch mich fallen lassen, das ist wahr. Aber Orwen hat mich gerade noch rechtzeitig wieder herausgefischt. Denn nichts Lebendes darf den Boden des Kessels berühren, sonst zerspringt er. Wie bei Evnissyen«, fügte er, an Gunhild gewandt, hinzu. »Aber ich habe eine Menge dabei gelernt.«
    »Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird?«, schlug Siggi vor.
    »Wer sich in Gefahr begibt, ist selber schuld?«, gab Hagen zum Besten.
    »Weisheit, meine ich. Ich sagte doch, sie waren nicht immer so. Darum habe ich auch den kleinen Arthur in ihre Obhut gegeben, als ich ihn an mich nahm. Zumindest für die erste Zeit. Sie hatten Erfahrung damit, ein Kind aufzuziehen.«
    Inzwischen hatte Orgoch das Auge erbeutet und starrte Siggi an, als wollte sie ihn am liebsten auffressen. »Arthur«, gurgelte sie.
    Siggi wich einen Schritt zurück. »War das nicht ein bisschen riskant?«, meinte er. »Bei ihrem Appetit?«
    Merlin sah ihn an. »Du verstehst es immer noch nicht. Diese drei waren einst mächtige Zauberinnen, erfüllt von einer gewaltigen und uralten Magie. In ihrem Kessel, dem großen Kessel der Geschichte, bereiteten sie das Schicksal der Welt. Sie sind nicht mehr und nicht weniger als eine Verkörperung der alten Göttin, Ceridwen, in dreifacher Gestalt. So wie Dôn, die Mutter, sie verkörperte. Oder die Königin, Rhiannon, wie man sie in Prydain nennt, Mórrigan in Erin, Morgana unter den Menschen – es ist alles ein und derselbe Name.«
    Gunhild starrte ihn an. »Aber ich dachte, die Mórrigan … das sei eine Göttin des Krieges.«
    »Mit jedem Namen wechselt sie ihre Natur und bleibt doch sie selbst. So wie ich. Nur die Menschen haben das nie richtig verstanden. Sie nannten sie ›Morgana die Fee‹ und haben vergessen, wer sie war – bis auf die Tatsache, dass sie auf der Insel Avalon den schlafenden König hütet. Aber jetzt zu Tisch!«
    Er nahm etwas vom Boden

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