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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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knusprig wird. Und die Kräuter gibt man zum Schluss dazu.«
    »Und Ketchup«, gab Siggi seinen Senf dazu.
    »Du bist still«, zischte die erste Stimme.
    »Wir sollten ihm wirklich das Maul stopfen«, sagte die zweite.
    »O ja«, kicherte die dritte. »Mit einem Apfel, wie es sich für einen Schweinebraten ziemt.«
    Ein Gesicht tauchte in Siggis Blickkreis auf. Es war das älteste und hässlichste Gesicht, das er je gesehen hatte. Unter den Falten des Kinns schwabbelten die Hängebacken. Der Mund war eine finstere Höhle, in der ein paar Stummelzähne faulten. Eine dicke, behaarte Warze verunstaltete die Nase. Und das linke Auge fehlte, dafür glotzte das rechte umso intensiver.
    »Ein Apfel«, sagte der beinahe zahnlose Mund. Es war die Stimme der Ersten, Orddu. »Gib mir einen Apfel, Schwester!«
    »Aber wo? Wo?«, quäkte die Zweite. »Ich kann doch nichts sehen.«
    »Vor deiner Nase, Orwen!«
    »Ah! Hier! Ein schöner Apfel …«
    »Nein, nicht reinbeißen! Gib ihn mir!«
    Ein seltsames Trio, dachte Siggi. Die Erste hat nur ein Auge, die Zweite ist anscheinend ganz blind …
    »Hier«, sagte Orddu. Etwas Rundes, Gelbes wurde in sein Blickfeld geschoben. »Mach das Maul auf!«
    Den Teufel werde ich tun, dachte Siggi. Dann pressten zwei harte, knochige Finger seine Nasenflügel zusammen. Erschrocken schnappte er nach Luft.
    Die Hexe rammte ihm den Apfel zwischen die Zähne.
    »Mmpf«, machte Siggi. Verzweifelt versuchte er, die Kiefer zusammenzubringen, doch der Apfel war steinhart, und er konnte nicht genug Kraft aufwenden, ohne sich das Zahnfleisch von den Knochen zu schrammen.
    »So ist es schon besser«, meinte die Alte.
    »Lass mich sehn, lass mich sehn!«, verlangte ihre Schwester. »Gib schon her, Orddu!«
    Siggi verstand immer weniger, worum es ging.
    Ein anderes Gesicht beugte sich über ihn, ebenso alt und nicht weniger hässlich. Diese Alte trug nicht nur einen regelrechten Damenschnurrbart, sofern man das Gewucher unter der Nase mit so einem zarten Wort bezeichnen konnte, sondern sogar zwei Warzen, auf jeder Wange eine. Und auch sie hatte nur ein Auge, allerdings auf der linken Seite. Es hatte den gleichen stechenden Blick.
    »Er sieht irgendwie … seltsam aus.« Sie drehte den Kopf. »So verkehrt.«
    Orddu seufzte gereizt. »Hast du es wieder falsch gemacht, Orwen? Du musst ihn dir mit rechts ansehen, nicht mit links.«
    Siggi fragte sich verwirrt, wie jemand sich etwas mit rechts ansehen konnte, wenn er nur ein Auge auf der linken Seite hatte. Aber er kam gar nicht dazu, diesen Gedanken zu Ende zu führen, weil das seltsame Streitgespräch weiterging.
    »Ich will auch mal«, krähte die Dritte.
    »Sei still, Orgoch!«, sagte die Zweite.
    »Nicht jetzt«, fügte die Erste hinzu.
    Aber die Dritte im Bunde ließ sich nicht mehr bremsen. »Ach ja? Immer heißt es: ›Sei still, Orgoch! Nicht jetzt, Orgoch! Ein andermal, Orgoch!‹ Orddu darf immer, Orwen darf manchmal, aber die arme, kleine Orgoch darf nie …« Sie fing an zu greinen. Es klang wie eine schlecht geölte Sirene.
    »Gib es ihr schon!«, befahl Orddu.
    »Hier hast du’s«, seufzte Orwen.
    Siggi wartete darauf, ein drittes Gesicht geboten zu bekommen, noch hässlicher als die beiden, das der »armen kleinen Orgoch« gehörte. Aber nichts geschah.
    Nach einer Weile sagte die dritte Stimme verärgert: »Jetzt gib es schon her!«
    »Aber ich habe es dir gegeben!«, behauptete Orwen.
    »Hast du nicht!«
    »Hab ich wohl!«
    »Ihr habt es doch nicht verloren?« Orddus Stimme war der Panik nahe. »Ihr dummen alten Weiber! Wie konntet ihr nur so unachtsam sein. Sucht es! Sucht! Es muss hier irgendwo sein …«
    »Ich habe es!« Eine vierte Stimme, tief und von den Wänden widerhallend.
    Welch ein Aufruhr und Gekreische! Die drei alten Vetteln stoben in alle Richtungen, übereinander stolpernd. Steine kollerten. Man hörte einen Aufschrei, einen dumpfen Schlag, als eine von ihnen zu Boden ging. Die anderen beiden liefen durch die Gegend wie aufgescheuchte Hühner.
    »Orddu, Orwen, Orgoch!«, sagte die Stimme aus dem Hintergrund, und man konnte das missbilligende Kopfschütteln in den Worten geradezu hören. »Wie tief seid ihr gesunken, dass ihr nun kleine Menschenkinder fressen wollt!«
    Einen Augenblick lang herrschte Totenstille. Dann kreischte Orddu los, in Tönen höchster Entzückung:
    »Es ist Gwion! Der kleine Gwion! Orwen, erinnerst du dich noch an Gwion, dieses süße kleine Baby …«
    »… das du damals in den Kessel hast fallen lassen!

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