Die Kinder von Avalon (German Edition)
auf, ein Netz, prall gefüllt mit Obst und Gemüse und anderen Dingen.
»Orgoch!«, rief er. »Es gibt etwas zu kochen.« Und zu den anderen gewandt: »Sie mag etwas verwirrt im Kopf sein, aber selbst wenn sie nur halb so gut kocht wie früher, ist es immer noch fantastisch!«
Das Auge der Alten leuchtete auf, als er ihr das Netz mit den Lebensmitteln reichte. Mit ihren knochigen Fingern prüfte sie Früchte, Wurzeln, Pilze, schnupperte an Fleisch und Fisch.
»Kommt, Kinderchen«, gluckste sie, »es gibt was zu essen!«, und machte sich hastig auf in Richtung Herdfeuer. »Warte auf mich, Schwester!«, rief Orddu und tastete blind in der Gegend herum.
»Komm, Großmutter«, sagte Gunhild, »ich helfe dir«, und fasste sie am Arm.
»Das ist lieb von dir, mein Vögelchen«, sagte die Alte.
Die Letzte der drei, die allein zurückblieb, hockte so verloren in ihrem Winkel, dass Siggi sich ihrer erbarmte. »Wenn ich bitten darf«, sagte er und hielt ihr den Arm hin. Dann fiel ihm ein, dass sie dieses Geste ja nicht sehen konnte. Doch mit erstaunlichem Instinkt hatte sich Orwen bereits bei ihm eingehakt und ließ sich von ihm mehr zum Feuer tragen als führen.
Hagen blickte ein wenig skeptisch drein, als er das Feuer mit dem kleinen verrußten Topf und den wenigen Küchennutensilien betrachtete, die auf einer Steinplatte ausgebreitet lagen: ein Löffel, eher eine Schöpfkelle; eine große dreizinkige Gabel; ein Messer, scharf und gezahnt; sowie eine einzige Schale aus Holz. Alles nicht besonders sauber.
»Einer muss die Suppe rühren«, sagte die blinde Orddu. »So ist es der Brauch.«
»Und einer putzt, was auf Erden spross«, fuhr Orwen fort, »oder unter der Erde wuchs.«
»Und einer schneidet alles, was lebt«, fügte Orgoch hinzu, und das Auge in ihrem Gesicht funkelte, »oder mal gelebt hat.«
Siggi war nie besonders gut gewesen, was das Putzen von Gemüse betraf, und ein Blick auf den toten Fisch und das ebenso blasse Hühnchen, die auf den Steinen lagen, machte seinen Entschluss leicht: »Ich rühre.«
»Und ich zerkleinere das Obst und Gemüse«, bot sich Gunhild an, »wenn du mit dem Getier klarkommst.«
Damit war Hagen gemeint. »Ich hab schon öfter Fische ausgenommen«, sagte der. »Da sollte der Rest auch kein Problem sein.«
Als sich Orgoch am Kochtopf zu schaffen machte, erfüllte bald ein wunderbarer Duft die Höhle, der einem das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ.
Siggi war der Erste, der probierten durfte.
»Das war wirklich köstlich«, meinte er, als er die Suppe ausgeschlürft hatte.
Orgoch sah aus, als würde sie ihn am liebsten abküssen. Ihr ganzer zahnloser Mund grinste. »Arthur«, burbelte sie. Hastig reichte er die Schale an Hagen weiter.
Der wischte sie am Ärmel ab und tunkte sie in den Kessel. Auch seine Augen wurden groß, als er den ersten Schluck tat. »Wer hätte das gedacht? Ein Kompliment an die Köchin.«
Merlin machte ein Gesicht wie eine Katze, die am Ende doch den Sahnetopf gefunden hatte, so als wollte er sagen: Hab ich es nicht gleich gewusst?
»Wo ist das eigentlich alles her?«, fragte Gunhild. »Ich meine die Lebensmittel und das ganze Zeug? Woher hast du es mitgebracht?«
Ein Schatten legte sich über das Gesicht des Alten. »Es ist der Rest aus den Vorräten des guten Schiffs Prydwen.«
Hagen hätte sich fast verschluckt. »Die Prydwen! Die hatte ich ja völlig vergessen. Was ist aus ihr geworden? Wo ist sie?«
»Die Prydwen … ist nicht mehr. Die Fahrt durch die Schlingen des Wurms aus der Tiefe war ihr letztes und größtes Abenteuer. Ihr Mast ist gebrochen. Ihre Planken sind geborsten. Sie zerschellte an den Klippen.« Seine Stimme war voller Trauer, als spräche er von einem lebenden Wesen. »Aber zuvor warf sie euch an Land – und mich, an einem anderen Strand. Darum brauchte ich so lange, bis ich euch fand. Zum Glück kannte ich den Weg.«
»Aber«, sagte Siggi, »wie sollen wir jetzt weiterkommen?«
»Wir brauchen das Schiff jetzt nicht mehr. Der letzte Dienst, den die Prydwen uns erwiesen hat, war, uns dahin zu bringen, wohin wir gehen mussten.«
»Dann war dieser Ort von Anfang an unser Ziel«, zog Hagen den Schluss. »Du wolltest mit uns hierher. Zu diesen drei alten Hexen?«
»Na ja«, meinte Merlin, »ich wusste natürlich nicht, dass sie inzwischen Jagd auf Kinder machen, um sie zu verspeisen. Aber hier ist der Ort, an dem alles anfängt. Hier beginnt der Drachenweg.«
Das Wort verhallte in der Stille. Nur das Feuer knisterte.
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