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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Ich weiß es noch. Aber Orgoch hat es wieder rausgefischt.«
    »Ich hatte immer ein weiches Herz«, knurrte Orgoch, die sich offensichtlich irgendetwas angeschlagen hatte, denn sie stöhnte leise. »Ich hätte es besser lassen sollen.«
    »Oh, gib es uns zurück, Gwion. Gib es uns zurück, damit wir dich sehen können …«
    »Ich werde es euch erst dann zurückgeben, wenn ihr mit diesem Unsinn aufhört und die jungen Menschen freilasst.« Während er dies sagte, war er näher getreten, und plötzlich erkannte Siggi die Stimme.
    »Merlin!«, rief er. »Merlin-Gwydion-Aneirin! Hier sind wir! Hier!«
    »Ich weiß.« Der Alte kniete neben ihm nieder. Ein Messer blitzte auf und durchtrennte das Seil, mit dem Siggi verschnürt war. Siggi versuchte sich aus den Fesseln herauszuwinden, aber die Riemen waren so fest gezogen, dass Merlin das Messer noch zwei, drei weitere Male ansetzen musste, ehe Siggi seine Arme bewegen konnte. Als Erstes befreite er sich von dem Gallapfel. »Die anderen!«, spuckte er. »Ich schaff das schon.«
    Er richtete sich auf. Seine Arme und Beine, ja sein ganzer Körper, alles brannte wie von tausend Nadelstichen, als das aufgestaute Blut in die Äderchen zurückkehrte. Sein Kopf schwamm; alles drehte sich um ihn. Er sah, dass er sich in einer Höhle befand – wieder einmal, wie er ironisch feststellte. Die eine Hälfte der Höhle wurde von einem See eingenommen, jenseits dessen ein niedriger Durchgang zum Meer führte. Dies war offenkundig durch den Geruch des Salzwassers, der in der Luft hing, und das ferne Donnern der Brandung. Aber das Wasser des Teiches war fast still, nur von gelegentlichen Wellen durchbrochen. Daran schloss sich ein kleiner Kiesstreifen an, auf dem er gelegen hatte. Und auf der anderen Seite …
    Er wandte sich um. Die Welt drehte sich erschreckend und nicht ganz zeitgleich mit seiner Bewegung. Er drohte zu kippen, aber er fing sich wieder, indem er sich an einem Felsen abstützte.
    Auf der anderen Seite war nicht viel. Ein kleines Feuer, aus Treibholz errichtet, über dem ein alter, von Ruß geschwärzter Topf hing. Ein Bettlager aus Lumpen und Fellen, kaum groß genug für zwei, geschweige denn für drei. Ein Krug mit Wasser, ein Kanten Brot, ein paar halb vertrocknete Äpfel.
    Ein Schweinebraten! Er hatte dieser Braten sein sollen, angerichtet mit einem Apfel im Maul. Diese alten Hexen hatten ihn braten und verspeisen wollen.
    Siggi stieg über die Steine hinweg und ging auf die beiden Gestalten zu, die er an der Felswand hocken sah. Der Kies knirschte unter seinen Schritten. Als sie ihn kommen hörten, duckten sie sich noch tiefer und wichen angstvoll zurück.
    Aber er verspürte keinen Zorn. So seltsam es klang, er hatte nicht die Absicht, in einer wilden Wut sein Schwert zu ziehen und die alten Hexen damit zu durchbohren. Er würde sehen, dass ihnen Gerechtigkeit zuteil wurde; das war sein Ziel. Nicht mehr und nicht weniger.
    Das flackernde Licht des Feuers warf einen roten Schein auf das Gesicht der Ersten. Es war das Gesicht, das er in seinem gefesselten Zustand gesehen hatte: der faltige Hals, die Warze auf der Nase, alles war da. Orddu. Er erinnerte sich an den Namen. Nur ihr Auge sah er nicht. Stattdessen nur zwei leere, von faltigen Lidern bedeckte Höhlen.
    Sein Blick ging zu der Zweiten. Orwen. Der Schnurrbart machte sie unverkennbar. Doch dort, wo in der linken Augenhöhle der Augapfel hervorgestochen war, war nichts. Nur Leere.
    Er wandte sich um. Doch schon bevor er sie sah, wusste er, dass auch die Dritte, Orgoch, ebenso blind sein würde wie ihre Schwestern.
    »Was ist mit ihren Augen passiert?«
    Merlin hatte inzwischen Hagen und Gunhild befreit. Sie waren ebenso schwach auf den Beinen wie er, Siggi. Hagen half Gunhild über die Steine.
    »Ihrem Auge!«, antwortete der Alte auf Siggis Frage. »Einzahl. Sie haben nur eins. Sie müssen es sich teilen. Und jetzt ist es hier.« Er hob die Hand und drehte etwas, das wie eine opalisierende Murmel aussah, zwischen den Fingern.
    »Der kritische Moment«, fuhr er fort, »ist dann, wenn die eine es der anderen weitergibt. An diesem Punkt sind sie alle drei blind. Und so konnte Orwen nicht sehen, dass sie ihr größtes Juwel keinesfalls ihrer armen alten Schwester Orgoch in die Hand drückte, sondern mir.«
    Gunhild löste sich von Hagen und ging über das Kiesbett zu Siggi hinüber. Mit einem einzigen Blick hatte sie die ganze armselige Einrichtung in sich aufgenommen. Jetzt kniete sie vor der vordersten der

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