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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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die dumm genug waren, sich ausrauben zu lassen.
    Ich war mit dreizehn schon auf der schiefen Bahn.
    Nein, Flower sollte nicht den gleichen Weg gehen. Sie war in einer liebevollen, friedfertigen Gemeinschaft aufgewachsen, unberührt von jener Welt, die den kleinen Ricky Granger verdorben und ihn, noch ehe an seinem Kinn die ersten Härchen sprossen, zum Gangster gemacht hatte.
    Dir wird es einmal besser gehen, dafür werde ich sorgen!
    Flower bewältigte den Akkord, und im selben Moment wurde Priest klar, daß ihm seit Bones‘ Auftauchen unentwegt ein Lied im Kopf herumging. Es war ein Folksong aus den frühen sechziger Jahren, der stets zu Stars Lieblingsliedern gehört hatte.
    Show me the prison,
    Show me the jail,
    Show me the prisoner Whose face is growinpale …
    »Ich bringe dir ein Lied bei, das deine Mutter immer gesungen hat, als du noch ein Baby warst«, erklärte er und nahm Flower die Gitarre aus den Händen. »Erinnerst du dich?« Er sang:
    »l‘ll show you ayoung man With so many reasons why …«
    In seinem Kopf hörte er Stars unverkennbare Stimme – tief und sexy, damals wie heute.
    »There, butfor fortune May go you or l,
    You or I«
    Priest war ungefähr so alt wie Bones, und Bones hatte, das stand für Priest außer Zweifel, nicht mehr lange zu leben. Das Mädchen mit dem Baby würde ihn bald verlassen, und er würde seinen Körper weiter auszehren und immer wieder seiner Sucht nachgeben. Irgendwann würde er dann an einer Überdosis oder an verunreinigtem Stoff eingehen. Oder sein Organismus war eines Tages einfach überfordert und fing sich eine Lungenentzündung ein, die ihm den Rest gab. So oder so – Bones war praktisch ein toter Mann. Wenn ich von hier weg muß, wird es mir genauso ergehen.
    Flower, die sich die Gitarre längst zurückgeholt hatte, mühte sich mit dem a-Moll-Akkord ab. Priest spielte unterdessen mit dem Gedanken an eine Rückkehr in die bürgerliche Gesellschaft. Er stellte sich vor, wie es wäre, jeden Tag zur Arbeit zu gehen, Socken und Halbschuhe aus durchbrochenem Leder zu kaufen, einen Toaster und ein Fernsehgerät zu besitzen. Ihm wurde allein schon von der Vorstellung übel. Er hatte nie ein normales Leben geführt. Sein Zuhause war ein Bordell, seine Schule die Straße gewesen. Eine Zeitlang hatte er ein halblegales Unternehmen besessen, den weitaus größten Teil seines Lebens jedoch als Chef einer von der Außenwelt abgeschotteten Hippiekommune verbracht.
    Er mußte an den einzigen normalen Beruf denken, den er je ausgeübt hatte. Mit achtzehn hatte er eine Stelle bei den Jenkinsons angetreten, die den Spirituosenladen ein Stück weiter in der gleichen Straße führten. Das Ehepaar war ihm damals sehr alt vorgekommen; jetzt schätzte er, daß die beiden so um Mitte fünfzig gewesen sein mußten. Ursprünglich hatte er nur so lange bei ihnen arbeiten wollen, bis er wußte, wo sie ihr Geld aufbewahrten; das wollte er dann klauen. Doch dann hatte er plötzlich etwas über sich selbst gelernt.
    Er entdeckte, daß er eine eigenartige mathematische Begabungbesaß. Jeden Morgen legte Mr. Jenkinson Wechselgeld im Wert von zehn Dollar in die Registrierkasse. Wenn Priest einen Kunden nicht selbst bediente, hörte er Mr. oder Mrs. Jenkinson die Summe für die verkauften Waren nennen: »Ein Dollar neunundzwanzig bitte, Mrs. Roberto.« Oder: »Macht genau drei Dollar, Sir.« Im Gehirn des jungen Ricky Granger addierten sich die gehörten Zahlen automatisch; er wußte also jederzeit auf den Cent genau, wieviel Geld sich in der Kasse befand. Wenn Mr. Jenkinson abends die Einkünfte zusammenzählte, konnte Priest ihm die richtige Summe immer schon vorher nennen.
    Er bekam auch mit, wenn Mr. Jenkinson mit den Vertretern sprach, die ihn besuchten. Es dauerte nicht lange, und Priest kannte die Großhandels- und Ladenpreise jeder einzelnen Ware im Angebot. Von da an berechnete das automatische Zählwerk in seinem Gehirn bei jedem Einzelverkauf sofort den Profit. Es beeindruckte ihn tief, wieviel die Jenkinsons in die eigene Tasche stecken konnten, ohne auch nur ein einziges Mal klauen zu müssen.
    Er sorgte dafür, daß das Geschäft viermal in einem Monat überfallen und ausgeraubt wurde. Dann bot er an, ihnen den Laden abzukaufen. Als sie seinen Vorschlag ablehnten, organisierte Priest den fünften Überfall, bei dem Mrs. Jenkinson – auch das mit Kalkül – zusammengeschlagen wurde. Diesmal ging Mr. Jenkinson auf das Kaufangebot ein.
    Die Anzahlung lieh sich Priest vom lokalen

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