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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Oberfläche. Sein Blick ging suchend über das aufgewühlte Wasser. Von dem Rotschopf war nichts zu sehen.
    Er tauchte wieder, schwamm ein Stück unter Wasser. Da, ein Schatten wie von einem treibenden Baumstamm. Der Schatten bewegte sich, wenn auch mit schwächer werdenden Zuckungen. Mit drei, vier raschen Zügen war Siggi heran. Seine Hände packten in groben Stoff. Wie einen großen, nassen Sack zog er den fremden Jungen mit sich nach oben.
    Sie durchbrachen die Oberfläche. Hier war die Strömung schon etwas glatter geworden, wenn auch immer noch so schnell, dass man nicht dagegen ankämpfen, sondern sich nur mittragen lassen konnte. Die Ufer waren so hoch und felsig, dass es keinen Sinn hatte, einen Aufstieg zu versuchen. Also vertraute Siggi sich einfach dem Fluss an.
    Dann begann der fremde Junge sich zu wehren. Er war immer noch halb benommen und wusste nicht, was er tat. Rein instinktiv klammerte er sich an Siggi fest, und das zusätzliche Gewicht drückte sie beide nach unten. Siggi schluckte Wasser, kam spuckend wieder hoch, und wieder krallte sich der andere an ihn und zog ihn hinab. Siggi bekam keine Luft mehr. Ohne nachzudenken, schlug er um sich. Seine Faust traf etwas Weiches, und das Gewicht in seinen Armen erschlaffte.
    Dann war die Macht des Stromes gebrochen, und sie trieben hinaus in ruhigeres Gewässer. Siggi schleppte seine Last durch die flache Randzone und die Uferbank hinauf und leistete sich dann endlich den Luxus, erschöpft daneben zusammenzubrechen.
    Aber nur für einen Moment. Er war nass und ihm war kalt, und auch wenn die Sonne noch schien, hatten ihre Strahlen kaum genug Kraft, ihn in Minutenschnelle zu trocknen. Er musste aufpassen, dass er sich keine Erkältung zuzog oder Schlimmeres. Nachdem er das Unwetter letzte Nacht mit heiler Haut überstanden hatte, wäre es doch ein Witz, wenn er sich jetzt nach diesem kleinen erfrischenden Bad eine Lungenentzündung holte.
    Also stemmte er sich wieder hoch. Bis auf das Rauschen und Gurgeln des Stromes war es gespenstisch still. Selbst das Zwitschern der Vögel in den Bäumen schien verstummt zu sein.
    Siggi wandte sich seinem Gegner zu, der regungslos neben ihm auf der Uferbank lag. Das sommersprossige Gesicht unter dem roten Haar war totenblass, und die Lippen begannen sich bereits blau zu verfärben. Er atmete nicht mehr.
    Wieder überkam Siggi ein Anflug von Panik: Hatte er einen Toten an Land gebracht? Doch er gab dem Gefühl gar keine Zeit, sich auszubreiten. Er wusste, was zu tun war. Er hatte nicht umsonst einen Erste-Hilfe-Kurs mitgemacht; jetzt musste sich zeigen, was die Ausbildung wert war. Er nahm den Kopf des Jungen und bog ihn nach hinten, damit die Luftwege frei lagen. Dann holte er tief Luft, umschloss mit geöffnetem Mund Nase und Lippen des Ohnmächtigen und blies seinen Atem hinein.
    Einundzwanzig, zweiundzwanzig. Zeit zum Luftholen. Und wieder beatmen. Kein Lebenszeichen, nichts. Und dasselbe noch einmal von vorn. Immer noch nichts. Siggi hörte und sah alles, was um ihn geschah, mit einer übernatürlichen Klarheit; selbst das Knacken in den Zweigen entging ihm nicht. Die anderen von der Bande näherten sich. Aber er ließ sich dadurch nicht ablenken. Einatmen. Ausatmen.
    Da, das Flattern eines Pulses an der Schläfe! Der Körper des Jungen zuckte. Das Zwerchfell spannte sich zum Würgreflex. Siggi konnte gerade den Kopf des Jungen auf die Seite drehen, als sich ein Schwall von Wasser und Erbrochenem aus dem Mund ergoss.
    Der Junge atmete. Rasselnd sog er die Luft in die Lungen. Erneut würgte er, aber es kam nur noch wässrige Spucke. Wieder atmete er zitternd ein, dann aus. Allmählich kehrte etwas Farbe in die blassen Wangen zurück. Aber erst als sich die Atmung zu normalisieren begonnen hatte, schlug er vorsichtig die Augen auf.
    »Ich … habe gewonnen …« Er musste wieder husten und schnappte nach Luft.
    Siggi grinste. Der Rothaarige war anscheinend nicht klein zu kriegen. Irgendwie imponierte ihm der Bursche.
    »Das sollten wir vielleicht noch mal in Ruhe bereden«, meinte er lässig.
    Der andere wollte sich aufrichten, doch Siggis hellglänzendes Schwert zeigte mit der Spitze genau auf seine Kehle.
    »Und ihr anderen könnt jetzt auch aus den Büschen rauskommen!«, fuhr Siggi mit lauterer Stimme fort.
    Ringsum raschelte es im Uferschilf. Dann traten die Wegelagerer einer nach dem anderen, ein wenig schafsgesichtig, ans Tageslicht.
    Jetzt, wo er sie von nahem sah, bestätigte sich Siggis erster Eindruck, den

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