Die Kinder von Erin (German Edition)
Geländer an einer Seite, das mit Holzlatten festgespleißt und mittels Verstrebungen an zwei Pfosten rechts und links des Ufers verankert war.
Am Rande, im Schatten der Bäume, waren die Balken noch glitschig, doch wo die Sonne hinkam, war die Feuchtigkeit schon aufgetrocknet. Siggi tastete sich Schritt für Schritt weiter. Das Wasser des Flusses schäumte und brodelte unter seinen Füßen, und die Rasanz, mit der es unter der Brücke entlangschoss, ließ ihn schwindeln.
Da hörte er etwas im Unterholz sirren, und eine Sekunde später traf ihn etwas mit der Wucht eines Geschosses am linken Arm.
»Au!«
Unwillkürlich warf er den Oberkörper zu Seite, und der Druck riss das Geländer, gegen das er sich stützte, aus seiner Verankerung. Siggi taumelte und schwenkte das Holz, das nur noch an einem Ende fest hing, wie einen Dreschflegel, um das Gleichgewicht zu halten.
Zwei weitere Steine sirrten heran, verfehlten ihn aber, da er mit beiden Armen wild um sich ruderte. Dann brachten ihn zwei, drei schnelle Schritte bis zu dem nächsten Felsblock im Strom, wo er auf allen vieren landete.
»Verdammt!«, fluchte er. Im Gebüsch am anderen Ufer gab es Bewegung, doch es war nicht festzustellen, wie viele Angreifer dort lauerten. Siggi zog sein Schwert. »Kommt raus, ihr Feiglinge!«
Einen Moment lang tat sich nichts. Nur das Zwitschern der Vögel war zu hören, hell und klar, deutlich zu vernehmen selbst über dem Tosen der Stromschnellen. Dann raschelte es im Gesträuch auf der anderen Seite der Brücke, die Zweige teilten sich, und ein roter Schopf kam zum Vorschein.
Er gehörte zu einem jungen Mann – eher noch ein Junge, verbesserte sich Siggi, kaum älter als er selbst. Er war bekleidet mit einem braunen Kittel aus grob gewebtem Stoff, der von einem Strick zusammengehalten wurde. Außerdem war er barfuß. In den Händen trug er einen festen, dicken Stock, der fast so groß war wie er selbst.
»Das hier ist unsere Brücke, Fremder. Wer hier rüber will, muss einen Zoll bezahlen.«
»Ach ja?«, sagte Siggi. Das Ganze erinnerte ihn an ein Spiel, das die Jungen an seiner Schule trieben. »Und wenn ich keine Lust dazu habe?«
Der Rothaarige steckte die Finger in den Mund und stieß einen Pfiff aus. Sogleich wurden die Hasel- und Weidensträucher rechts und links von ihm lebendig. Es musste mehr als ein halbes Dutzend von diesen Wegelagerern sein, die meisten noch junge Burschen. Sie alle waren ärmlich gekleidet, und sie trugen Stöcke oder Steinschleudern in den Händen.
Siggi wurde klar, dass seine Lage gefährlicher war, als er zunächst geglaubt hatte. Wenn er jetzt den Rückzug antrat, über die schmale Brücke, dazu noch ohne Geländer, konnte ihn ein wohlgezielter Stein sehr schnell ins Straucheln bringen. Und unten warteten die Stromschnellen auf ihn.
Er versuchte es mit einem entwaffnenden Lächeln. »Leider hab ich nichts, womit ich euch bezahlen könnte.«
Der rothaarige Bursche ließ sich nicht beirren. »Und was ist mit diesem schönen Schwert da? Reich es uns rüber, mit dem Heft zuerst, und wir lassen dich laufen.«
»Hol’s dir doch, wenn du kannst!«
Die Haltung der Umstehenden in den Büschen wurde drohender. Stöcke wurden gehoben, Schleudern gespannt. Siggi überlegte sich, was passieren würde, wenn er mit einem schnellen Antritt die letzten Meter zurücklegen und mit dem Schwert zuschlagen würde. Zwei, drei Hiebe, dem würde auch der Bursche mit seinem Stock nicht viel entgegensetzen können. Siggi spannte die Muskeln …
… und hörte plötzlich in seinem Inneren eine Stimme sagen: » Die Wunden, die dieses Schwert schlägt, werden niemals heilen .«
Nein, das konnte nicht der Sinn der Sache sein. Diese Bande von Halbwüchsigen bestand so offensichtlich aus armen, halb verhungerten Kerlen, von Not getrieben, dass es nicht richtig wäre, hier mit einer Waffe der Götter dazwischenzufahren.
»Okay«, sagte er also, »ganz cool bleiben, Jungs.« Er steckte das Schwert in die Scheide. Dann drehte er sich um – wohl wissend, dass er dabei allen den Rücken zuwandte – und brach das bereits halb daneben hängende Stück des Brückengeländers los. Nun besaß er einen Kampfstock, der ebenso dick und lang war wie der seines Gegners.
»Also«, fuhr er fort, an den Rothaarigen gewandt, »wenn du Mut hast, dann tragen wir es zwischen uns beiden aus. Nur du und ich, mit Stöcken. Und wenn du dich nicht traust, dann nenn ich hier vor allen anderen einen Feigling. Na, wie ist es?«
Er
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