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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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nachrückende Truppenteile angriffen.
    Roberto war der Ansicht, dass er und seine anderen Generäle keine Verstärkungen brauchten. Vielmehr mussten sie absolut sicher sein, dass die Front im Osten halten würde, damit die Armeen im Norden und Süden weit genug nach Tsard vorstoßen konnten, um die Zangenbewegung zu vollenden.
    Sein Ziel war es, die südliche Grenze von Sirrane bis weit in den Osten zu sichern und auch die etwa tausend Meilen entfernte Bucht von Harryn zu beherrschen. Es war ein ehrgeiziger, aber durchführbarer Plan – Bestandteil eines Feldzuges von einem ganzen Jahr, der die Tsardonier brechen und bis in ihr Kerngebiet zurückdrängen sollte. Dann wäre die Kapitulation der Gegner nicht mehr weit, und sie konnten alle nach Hause gehen.
    Dies war die Botschaft, die er seinen Soldaten und der Kavallerie immer wieder gegeben hatte, nachdem die Einnehmer wieder aufgebrochen waren. Die Einnehmer wiederum kehrten mit seinen Vorschlägen zurück, die Wachen auf allen Nachschubwegen zu verdoppeln und die fast zweihundert Grenzbefestigungen als Verteidigung gegen die Einfälle nach Atreska und Gosland vollständig zu bemannen. Es hatte ihn beunruhigt, dass jede dritte Festung leer stand. Wenn etwas die Moral beeinträchtigen konnte, besonders die der atreskanischen Alae unter seinem Kommando, dann waren es die Gerüchte aus ihrer Heimat, dass die Überfälle ungehindert weitergingen und immer noch die Gefahr eines Bürgerkrieges drohte.
    Sobald die Schneeschmelze einsetzte, nahm der Nachrichtenaustausch zwischen den Fronten deutlich zu. Die große Angriffsarmee, zwanzig Legionen und sechzehn Alae der Konkordanz, insgesamt beinahe hundertzwanzigtausend Bürger, hatte exerziert und war trainiert und kampfbereit. Roberto liebte diese Jahreszeit. Neue Kraft und Entschlossenheit beflügelte seine Soldaten und Kavalleristen. Alle Männer und Frauen glaubten, dass dieses Jahr das letzte ihres Feldzuges werden würde. Jeder träumte davon, nach dem Dienst in den Legionen wieder zum alten Leben in der Konkordanz zurückzukehren.
    Roberto würde dann die Rüstung und den Gladius mit der Toga und dem Stab eines hohen politischen Amtes vertauschen. Er war nicht sicher, ob er sich wirklich darauf freute, aber dies war das Schicksal des ältesten Sohnes der Advokatin. Sie wollte ihn daheim haben. Vielleicht war genau das der Grund dafür, dass er das Soldatenleben nur ungern aufgeben wollte. Auch wenn er achtunddreißig war – sie würde ihn bemuttern, als wäre er keine zehn Jahre alt, und ihn die Ränke des politischen Lebens lehren. Sie meinte es gut, konnte manchmal aber sehr gönnerhaft sein.
    Roberto schüttelte den Kopf und blies die Wangen auf, fuhr sich mit gespreizten Fingern durch das kurz geschnittene schwarze Haar und stand von seinem Schreibtisch auf. Das Dokument, das ein Bote der Konkordanz abgeliefert hatte, nahm er in die Hand. Dann drehte er sich zu dem Spiegel um, der in der rechten Ecke seines Befehlszeltes stand. Ein wirklich wertvoller Rat seiner Mutter war es gewesen, jederzeit auf sein Äußeres zu achten. Auch nach dem fünfjährigen Feldzug in Tsard hatte er diese Angewohnheit nicht abgelegt. Legionskommandeure mussten zeigen, dass sie die Kontrolle hatten, und die Maßstäbe für die Disziplin festlegen. Das begann mit dem eigenen Erscheinungsbild.
    Der Mann, den er nun im Spiegel sah, war glatt rasiert und hatte einen kräftigen Körperbau. Dunkelblaue Augen strahlten in einem Gesicht, das von Wind, Schnee und Eis gegerbt und gerötet war. Er trug eine weiße knielange Tunika mit den grünen Verzierungen der Advokatur und um die Hüfte einen Ledergürtel, dessen Schnalle dem Wappen der Del Aglios nachgebildet war – ein hochsteigender Schimmel mit überkreuzten Speeren unter den Vorderhufen. Die dunkelgrünen Beinlinge liefen in schweren, mit glänzenden Stahlkappen verstärkten Stiefeln aus.
    Zufrieden nickte er. Die Uniform war gut genug für sein Tagewerk als Befehlshaber. Er nahm den schwarzen, mit Pelz besetzten Kapuzenmantel vom Ständer, auf dem auch die makellos gebügelte Paradeuniform mit den polierten Metallknöpfen hing, und legte ihn sich über die Schultern. Vorne schloss er den Mantel mit einer Brosche, die ebenfalls das Familienwappen trug.
    Roberto strich sich noch einmal übers Haar, machte auf dem Absatz kehrt und verließ sein Zelt, das mitten im Lager stand. Draußen blieb er noch einmal stehen und atmete die frische, kühle Luft des frühen Genastromorgens in Tsard

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