Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
ihre Menschen waren jahrhundertelang ein friedliches, stilles Paradies für jene, die das Glück hatten, hier zu leben oder zu Besuch zu kommen. Aber dieser Friede wird mindestens vorübergehend gestört werden. Mir ist klar, dass viele von euch traurig nach Hause zurückkehren und denken werden, das Leben, das ihr liebt, sei verloren. Vielleicht trifft das sogar zu. Aber die Kraft der wahrhaft Großen und Mutigen liegt in der Fähigkeit, auch im Angesicht von Widrigkeiten und Veränderungen zu wachsen und das Leben derer, die zurückbleiben, zu verbessern.
Wenn ich mich heute umsehe, dann erkenne ich Größe und Mut in euch allen. Ich bin stolz, euch zu meinem Volk zu zählen. Und ich bin stolz, euch meine Freunde nennen zu dürfen.« Die Jubelrufe setzten wieder ein. »Steht an meiner Seite, steht zum Aufstieg. Zusammen können wir eine Legende werden!«
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848. Zyklus Gottes, 30. Tag des Genasauf
15. Jahr des wahren Aufstiegs
D er Genastro kam spät in Tsard. Nach einem tiefen, grimmigen Dusas, der die in den besetzten Gebieten stationierten Legionen grausam dezimiert hatte, war den Menschen das Wachstum der neuen Jahreszeit mehr als willkommen, als es endlich begann.
Roberto Del Aglio und die beiden Legionen und Alae unter seinem Kommando hatten mehr Glück gehabt als die meisten anderen. Sie hielten die Hälfte der nordöstlichen Front und hatten die Erlaubnis bekommen, in den Randregionen von Sirrane zu lagern, dem großen Königreich voller Wald und Berge, das im Norden an Tsard grenzte.
Für Roberto war dies in den hundertfünfzig Tagen, nachdem die äußeren Bedingungen das Ende der Feindseligkeiten diktiert hatten, eine doppelte Gnade gewesen. Seine Mutter wollte unbedingt eine förmliche Allianz mit Sirrane schließen. Immer noch waren Diplomaten der Konkordanz in dem dichten Waldland unterwegs. Roberto trug sein Teil bei, unterhielt ein diszipliniertes Lager, ging nur in den erlaubten Regionen des Waldes auf Beutezug und verbrannte so wenig Holz wie möglich.
So hatten seine Truppen genügend Nahrung und konnten bequem überwintern. Es gab nur wenige Fahnenflüchtige, und die Moral hielt. Niemand war glücklich darüber, im Dusas mitten in einem Feldzug festzusitzen, und Robertos Ansicht nach war Tsard, sobald Schnee und Eis kamen, zweifellos das ödeste Land, das er je gesehen hatte.
In den stillen Tagen hatte er Probleme mit der Disziplin. Die Langeweile war ein gefährlicher Dämon, und in einem Heer von mehr als sechzehntausend Männern und Frauen breiteten sich auch Krankheiten aus. So ließ er sie exerzieren und veranstaltete Wettkämpfe zwischen den Manipeln und Legionen. Abgesehen davon, dass er die Jagdtrupps regelmäßig auswechselte, damit alle einmal hinaus auf die Jagd gehen konnten, waren die Spiele seine erfolgreichste Waffe gegen die Langeweile. Doch Streitigkeiten zwischen Geliebten und um die sirranischen Huren, die durchs Lager wanderten, um Essen und Trinken, wegen eines Kartenspiels … in einer kalten Winternacht konnte buchstäblich alles zu Streit und Befehlsverweigerung führen.
Roberto stand im Ruf, ein verständnisvoller General zu sein, doch Disziplinlosigkeit duldete er nicht. Er hatte drei Männer und zwei Frauen wegen schwerer Verstöße hinrichten lassen, und diese Urteile belasteten ihn sehr. Doch in einem Heer dieser Größe, das sich auf einem Feldzug befand, musste er ein Exempel statuieren, weil sonst eine echte Meuterei drohte. In den vergangenen Jahren hatte die bloße Loyalität einem General gegenüber ausgereicht. Der tsardonische Feldzug zog sich jedoch bereits seit fünf Jahren hin, und die Geduld derjenigen, die ihre Familien auf den Bauernhöfen zurückgelassen hatten, war allmählich erschöpft.
Im letzten Dusas hatten die Administratoren viel zu tun gehabt. Eine Abordnung hochrangiger Einnehmer hatte Roberto besucht, um die Stärke der Truppe und die Moral zu erkunden und über die Planungen für den Feldzug im Genastro zu reden. Paul Jhered hatte persönlich das große Heerlager besucht, das zweihundert Meilen jenseits der Grenze zwischen Atreska und Tsard lag. Dort hatten die tsardonischen Verbände während des letzten Feldzuges besonders aggressiv gekämpft, und dort machten die Truppen der Konkordanz nur schleppende Fortschritte. Auch die Legionen, die im Süden an der Grenze zu Kark lagerten, hatten gelitten, aber dies eher durch die Überfälle der Kämpfer aus der Steppe, die es auf Nachschubwege abgesehen hatten und
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