Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
sank wieder aufs Kissen. »Sind Reiter nach Estorr unterwegs?«
Dahnishev nickte. »Ja. Wir haben um Verstärkung gebeten. Morgen schicke ich Elise Kastenas zu dir, die dich informieren und Befehle entgegennehmen kann. Im Augenblick aber musst du dich stärken und viel schlafen. Ich werde den Legionen sagen, dass du überlebt hast. Das wird ihnen allen viel Mut machen.«
»Gute Medizin«, sagte Roberto schwach.
»Die beste«, stimmte Dahnishev zu. »Wir haben für dich gebetet, Roberto. Du bist der Herzschlag dieses Heeres.«
»Du machst mich verlegen.«
»Mit voller Absicht. Du musst so bald wie möglich aufstehen und durchs Lager laufen, und wenn du auf mich hörst, dann wirst du das auch bald tun. Verstehst du das, General?«
Roberto nickte müde. »Gegen die Anweisungen seiner Ärzte darf man nicht verstoßen.«
»Ein kluger Rat. Iss etwas und dann schlafe. Steh nicht auf. Du kannst in Flaschen pinkeln.« Dahnishev stand auf. »Ich sehe später noch einmal nach dir.«
»Danke, alter Freund.«
»Danke Gott, dass du verschont wurdest.«
Unter den Jubelrufen, die sich im Lager ausbreiteten, schlief er wieder friedlich ein.
Roberto wusste nicht, wie lange er geruht hatte, doch er kam mit einer geistigen Klarheit zu sich, die nicht nur angenehme Seiten hatte. Erleichterung empfand er, weil er aus der Gefangenschaft seines Fiebers entlassen war. Doch die Erinnerungen und das Wissen, die seine Klarheit mit sich brachten, waren unangenehm und niederschmetternd. Es hatte nur wenige Tage nach dem Sieg über die schlecht geführten Tsardonier begonnen. Sie hatten ihre Toten der Erde und in die Umarmung Gottes zurückgegeben, die Wundärzte hatten die Verletzten versorgt, und dann hatten sie zwei Tage lang gefeiert.
Abteilungen aus der Kavallerie der Falken und die leichte Infanterie der Klingen hatten die Überreste der tsardonischen Armee gehetzt und in alle Winde zerstreut oder gefangen genommen. Die Gefangenen wurden zu Tausenden in Lager in der Nähe von Gosland verlegt. Fünfzehn Tage später sollte sich das Heer jenseits der Bergkette, vor der sie die gegnerischen Truppen vernichtet hatten, neu formieren.
Später hatten sie brauchbare Waffen und Rüstungen vom Schlachtfeld eingesammelt und das tsardonische Lager auf ähnliche Weise geplündert. Der Tradition des Krieges entsprechend, wurden die Tsardonier in Reihen liegen gelassen, damit sich deren eigenes Volk mit ihnen befassen konnte, wie es seinen bizarren Religionen und Gesetzen entsprach.
Die Moral der Truppe war gut, als sie fünf Tage nach dem Sieg noch vor dem Morgengrauen ihre Zelte abbrachen und in südöstlicher Richtung um die Berge herummarschierten, um den von General Atarkis befehligten Legionen zu folgen. Späher und Boten berichteten von einzelnen Orten und Siedlungen auf ihrem Weg, die allesamt durchsucht wurden. Dort kauften sie auch Vorräte für den Marsch ein.
Weiterhin gab es Meldungen über ein neues Heer, das sich zehn Tagesmärsche entfernt formierte. Es sammelte sich strategisch günstig auf einem Gebirgspass und beherrschte so in einem Umkreis von dreihundert Meilen in jeder Richtung den einzigen Weg, den ein Heer auf dem Weg nach Khuran einschlagen konnte.
Roberto und Atarkis wollten ihre Kräfte vereinigen, um dieses letzte große Hindernis zu beseitigen, bevor sie sich daran machten, das gewonnene Gebiet zu sichern. Die Angriffe auf die Hauptstadt sollten im folgenden Frühling beginnen, falls Gesteris im Zentrum und der geschwätzige alte Gosländer Jorganesh im Süden ihre Ziele erreichten.
Drei Tage nach Beginn des Marschs waren die ersten Infektionen aufgetreten. Sie waren durch ein Sumpfgebiet gezogen, das von Nagetieren wimmelte und Wolken von Moskitos beherbergte, hatten jedoch jeden Tag mit gebotener Vorsicht ein Lager errichtet, Gräben ausgehoben, Palisaden aufgestellt und am Spätnachmittag alle Zelte aufgeschlagen. Dennoch hatte der Typhus sie heimgesucht. Dahnishev hatte erklärt, es seien die Flöhe im Fell der Ratten und Mäuse gewesen. Ein einziger Floh infizierte jeden, den er stach, und da zehn Ratten auf jeden Legionär gekommen waren, hatte es vor dem Gallenfieber selbst eine Invasion der Überträger gegeben.
Roberto hatte die Krankheiten als Gefahr hingenommen, mit der man auf einem Feldzug eben rechnen musste. Halsbräune und Blutfluss traten relativ häufig auf, konnten aber beherrscht werden, wenn die Kranken unter Quarantäne auf Wagen befördert wurden. Doch diese Epidemie hatte mit
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