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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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überraschender Geschwindigkeit das ganze Heer erfasst. Zehn Tage nach Beginn des Marschs, als das südliche Ende der Gebirgskette zum Greifen nahe gewesen war, hatten sie anhalten müssen.
    Fünf Tage später waren kaum noch genügend Soldaten da gewesen, um alle Aufgaben im Lager zu erledigen. Die atreskanische Kavallerie und Infanterie hatten den Befehl bekommen, in sicherer Entfernung zu bleiben und die lebenswichtige Verbindung mit Atarkis zu halten. Die Legionen von Del Aglios hatten unterdessen ungeschützt lagern müssen.
    Roberto richtete sich auf seiner Pritsche auf und hielt sich an den Seiten fest, während vor ihm alles verschwamm. Er schauderte wieder, was aber dieses Mal nicht am Fieber lag. Es war nur zu leicht, sich an seine eigene zunehmende Verzweiflung zu erinnern, an die Ängste seiner Leute, als das Gallenfieber mit erschreckender Geschwindigkeit Opfer gefordert hatte.
    Bis zum zwanzigsten Tag ihres erzwungenen Aufenthalts, nachdem sie im wechselhaften Wetter entweder bis auf die Knochen durchnässt oder in der Sonne geröstet worden waren, hatte er mehr Kämpfer an die Krankheit als durch die tsardonischen Klingen und Pfeile verloren. Panik und ein Gefühl des nahenden Untergangs hatten in der Armee um sich gegriffen. Ganze Manipel hatten krank und sterbend daniedergelegen, während andere unberührt geblieben waren. In einem Zelt etwa waren acht Männer gestorben, während die zwei anderen sich bester Gesundheit erfreuten und munter Gott für ihr Glück dankten, während sie ihre Schuldgefühle niederkämpften.
    Roberto war gezwungen gewesen, immer schärfere Maßnahmen zu ergreifen, damit sein Heer nicht auseinander fiel. Zusammen mit Dahnishev hatte er sich entschlossen, alle Ratten, Mäuse und Flöhe zu vernichten, was bei einer Armee von sechzehntausend Köpfen kein leichtes Unterfangen war. Er hatte befohlen, die Pferde abseits der Truppen anzupflocken. Nur noch die Offiziere, die den Stall beaufsichtigten, durften sich ihnen zusammen mit ihren Helfern näherten. Die Pferde konnten die Flöhe übertragen, und er wollte nicht die Gefahr eingehen, dass seine Kavalleristen sie berührten, solange die Seuche noch nicht eingedämmt war.
    Als die ersten Kämpfer desertiert waren, vor allem aus den atreskanischen Legionen, hatte er die Wachen an den Toren und Palisaden verdoppeln und die äußeren Befestigungen verstärken lassen. Außerhalb des Hauptlagers in der Nähe des Gefolges, das ebenfalls sehr litt, hatte er eine Einfriedung bauen lassen. Als er das letzte Mal bei Bewusstsein gewesen war, hatten dort siebzig Männer und Frauen gesteckt, die geglaubt hatten, ihre einzige Hoffnung zu überleben sei die Flucht. Sobald er wieder gehen und laufen konnte, hatte er ihnen etwas mitzuteilen.
    Als dann der Genasab seinen Höhepunkt erreicht hatte, war auch er selbst erkrankt. Die Erinnerungen daran waren schrecklich. Das Fieber hatte ihn ohne Vorwarnung gepackt, er war geschwächt gewesen, hatte geschwitzt und kaum noch laufen können. Fast noch schlimmer waren die Kopfschmerzen gewesen. Ein unablässiges Pochen, als schlügen Hämmer auf Stein, hatte seinen Schädel erschüttert. Er hatte gehört, wie Männer und Frauen um Gnade und Erlösung wimmerten, und sie für willensschwach gehalten. Als er durchlitten hatte, was sie bereits kannten, hatte er sie nur noch um Vergebung bitten können. Auch er hatte qualvoll gestöhnt, weil er das Gefühl gehabt hatte, sein Kopf würde gleich zerspringen und sein Gehirn platzen.
    Als der rote, buckelige Ausschlag auf seiner Haut erschienen war und seine ganze Haut außer dem Gesicht, den Händen und den Fußsohlen erfasst hatte, war er schon nahe daran gewesen, vollends den Verstand zu verlieren. Das Jucken hatte ihn nur noch weiter abgelenkt, und schließlich hatte Dahnishev ihm die Hände verbunden, damit er sich nicht selbst die Haut aufriss. Irgendwie hatte er das alles aber nur noch durch einen Schleier wahrgenommen.
    Endlich, schon auf halbem Wege zur gesegneten Ohnmacht, hatte er bemerkt, wie hektisch sein Atem in die Lungen und wieder heraus strömte. Sein Gesichtssinn, durch die Kopfschmerzen ohnehin schon getrübt, hatte noch weiter nachgelassen und schließlich den Dienst eingestellt. Dahnishev hatte ihn zu beruhigen versucht, daran konnte er sich noch erinnern. Das Letzte, was er noch wusste, war der langsame Herzschlag. So träge, dass es ihm die letzten Reste seiner Stärke geraubt hatte.
    Jeder Gedanke daran, sein Heer zu führen, war dahin

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