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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Bestandteile herausfiltern, die beim Erwachen zu ihr gesprochen hatten. Überwältigt keuchte sie und schloss fest die Augen. Es tat weh. Es tat so schrecklich weh, dass sie fürchtete, es würde sie zerreißen.
    »Hilf mir«, wimmerte sie und starrte an Kessian vorbei zu ihrer Mutter. »Helft mir.«
    »Versuche, ruhig zu bleiben«, sagte Kessian.
    Mirron verkrampfte sich am ganzen Körper.
    »Helft mir!«, schrie sie.
    Die Woge riss sie mit.

 
31

     
    848. Zyklus Gottes, 3. Tag des Solasauf
    15. Jahr des wahren Aufstiegs
     
    Z wei Tage nach ihrem Sieg in Scintarit stellte sich die tsardonische Armee in geordneten Reihen auf und marschierte ab. Es war eine gewaltige Bewegung von Kämpfern, Pferden, Nutztieren und Wagen, in drei Züge untergliedert, um die Straßen nicht zu verstopfen und den Nachschub zu gewährleisten.
    Rittmeisterin Kell hatte die Feinde beobachtet, wann immer sie konnte. Sie hatten das Schlachtfeld durchsucht und Waffen, Rüstungen und Erinnerungsstücke der Toten an sich genommen. Die eigenen Gefallenen hatten sie in Reihen ausgelegt und religiöse Rituale abgehalten, um sie anschließend auf Scheiterhaufen zu verbrennen. Die Toten der Konkordanz hatten sie in der Hitze für die Nagetiere und die Krähen liegen lassen. Der Gestank nahm bereits zu, und in der Luft schwirrten Wolken von Insekten.
    Sie hatte beobachten können, wie die Gefangenen in langen Reihen über die Furten geführt wurden. Auf Tausende von ihnen wartete nun die Sklaverei, die Hinrichtung oder die Gefangenschaft, bis ein Lösegeld bezahlt wurde. Aus der Ferne hatte sie die kahl rasierten gesenkten Köpfe der Verurteilten gesehen. Das war jedoch nicht ihre größte Sorge. Noch nicht jedenfalls.
    Kell konzentrierte sich zunächst auf ihr eigenes Überleben. Sie hatte reichlich Wasser, aber der Hunger wurde ein Problem, und ihr Brustkorb bereitete ihr Schwierigkeiten. Zu reiten oder gar zu kämpfen wäre für sie sehr schmerzhaft gewesen. Die Rippen waren eine einzige purpur-schwarze Prellung, in Höhe des Herzens über den angeschlagenen oder wahrscheinlich gebrochenen Rippen war die Haut geschwollen. Der rechte Arm war zum Glück nicht gebrochen. Die Haut war aufgerissen und gequetscht, aber der Arm würde ohne Hilfe von selbst heilen, und das war immerhin ein Segen.
    Am zweiten Morgen, nicht lange nach der Dämmerung, verließ die tsardonische Armee Scintarit und marschierte in der noch relativ kühlen Morgenluft davon. Kell wartete bis zum Vormittag, um ganz sicher zu sein. In der zunehmenden Hitze bewegten sich immer noch Menschen. Es waren keine Soldaten, sondern die ersten Leichenfledderer. Vor denen musste sie keine Angst haben.
    Endlich war der Augenblick gekommen. Das Schlachtfeld wäre bald voller Menschen aus den umliegenden Siedlungen. Obwohl die Soldaten die Toten bereits durchsucht hatten, gab es immer noch einige Dinge zu finden, wenn man die Nerven hatte, die Ratten zu verscheuchen und die Taschen verwesender Leichen zu durchstöbern. Dabei starrten einen blicklose Augen an. Auch kam es vor, dass gebrochene Gliedmaßen auf einmal nachgaben und den Eindruck erweckten, es sei noch Leben im Körper. Kell musste sich in Sicherheit bringen, bevor die Plünderer in hellen Scharen kamen.
    Sie stand auf und streckte sich das erste Mal seit einer halben Ewigkeit im Sonnenlicht. Sie war am ganzen Körper steif, und ihr Magen tat vor Hunger weh. Mit Flusswasser spülte sie den Schlamm ab, den sie auf die Rüstung gestrichen hatte, um den Glanz zu dämpfen, und rieb kräftig über das Wappen der Konkordanz, bis es wieder hell schimmerte. Während das Heer unter großem Lärm aufgebrochen war, hatte sie den Brustharnisch ausgebeult und den Druck auf ihre Rippen etwas gemildert.
    Kell kletterte die Uferböschung hinauf und wanderte über die Ebene. Die Soldaten hatten gründlich gesucht, aber trotzdem hielt sie die Augen offen, ob sie etwas gebrauchen konnte. Oft bückte sie sich vor verwesenden Leichen und hüllte sich stets eng in den Mantel, um für einen flüchtigen Beobachter so auszusehen wie alle anderen Plünderer.
    Sie fand nichts, um ihre dürftige Ausrüstung zu verbessern. Ihr Helm und ihr Schwert waren auf dem Schlachtfeld verloren gegangen, jetzt besaß sie nur noch die beiden Dolche. Sie waren ein Geschenk von Gesteris, das er ihr als Anerkennung für besondere Tapferkeit zu Anfang des Feldzuges überreicht hatte. Mit den geschnitzten Heften und den Inschriften auf den Klingen waren sie eher Schmuckstücke,

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