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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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gespritzt. Sie bückte sich und säuberte sich, so gut es ging, an seiner Kleidung, bevor sie ihm den Schwertgurt abnahm und seine Taschen durchsuchte. Sie fand Feuerstein und Stahl und ein paar Münzen.
    Dann stand sie wieder auf und bespuckte seinen Körper, obwohl ihr vor Schwäche schwindlig war.
    »Du bist der Erste.«
    Nachdem sie ihre leere Schwertscheide weggeworfen hatte, legte sie sich seine Klinge samt Scheide um. Es war ein leicht gekrümmter Säbel, wie ihn die Tsardonier bevorzugten. Mit der linken Hand zog sie die Waffe und probierte zwei vorsichtige Hiebe, um das Gleichgewicht und die Führung zu überprüfen. Der Krummsäbel war nicht schlecht, aber kein Vergleich zu ihrer Kavalleriewaffe, die jetzt irgendein tsardonischer Schweinehund führte.
    Kell sah sich um. Niemand hatte sie beobachtet, kein Mensch war in der Nähe. Das Pferd war vor dem Blutgeruch so weit zurückgewichen, wie seine Leine es erlaubte. Langsam näherte sie sich dem Wallach und streckte eine Hand aus, um ihm die schwarze Wange zu streicheln.
    »Sch-scht. Schon gut, schon gut. Du hast jetzt eine bessere Herrin.«
    Das Tier reagierte auf ihre sanfte Stimme und stupste ihre Schulter. Sie löste die Leine und warf ihm die Zügel über den Kopf, dann strich sie ihm, immer noch leise redend, über die Flanken. Das Pferd wieherte leise und schüttelte den Kopf. Schließlich öffnete sie die Satteltaschen und hätte vor Erleichterung fast geweint. Feldrationen. Brot und Dörrfleisch, außerdem Lederschläuche voller Wasser. Eigentlich hätte sie nicht länger verweilen sollen, aber in diesem Augenblick war es ihr einerlei. Als sie Scintarit auf dem Pferderücken hinter sich ließ, hatte sie immer noch den süßen Geschmack des Essens auf der Zunge.
    Das Pferd war frisch und stark, ein Tier aus der Steppe, das bereitwillig reagierte, trittsicher ging und mit dem Gelände keine Schwierigkeiten hatte. Es war eine Freude, dieses Tier zu reiten. Kell eilte zunächst so schnell wie möglich nach Westen und ritt nur im Schritt, wenn die Schmerzen in der Brust unerträglich wurden. Sie lag einen guten halben Tagesmarsch hinter den letzten tsardonischen Infanteristen zurück, rechnete aber damit, vor Einbruch der Nacht auf deren Lager zu stoßen.
    Die Sonne hatte die Kraft verloren und ging in rotem Lodern hinter Kell unter, als sie zwei Meilen vor der Hauptstraße, die von der Konkordanz gebaut worden war und auf der jetzt die Tsardonier marschierten, auf einer Anhöhe anhielt. In diesem Augenblick wurde ihr klar, wie hoffnungslos ihre Lage war. Die Legionen der Konkordanz hatten die Straßen mit Vorbedacht gebaut, um die Fronten an den drei ausgewählten Stellen zu eröffnen.
    Vor ihr füllte eine riesige Staubwolke den Himmel aus, und darunter lagerte die tsardonische Armee. Hunderte Feuer waren zu sehen, und dazwischen wimmelte es von Menschen. Sie schätzte, dass der Rand des Lagers etwa fünf Meilen entfernt war, doch nach links, nach rechts und nach vorn breitete es sich weiter aus, als der Blick reichte.
    Sie konnte es keinesfalls umrunden und vor den Tsardoniern Atreska erreichen. Sie würden die Nachschubwege der Konkordanz hinabstürmen und über die Straßen bis zur Grenze eilen, da sie wussten, dass nur diejenigen, die ihnen auf der Flucht voraus waren, die Konkordanz vor ihnen warnen konnten. Im Süden mussten die Geflohenen jedoch in die Sümpfe ausweichen, die an die Seenplatte von Toursan grenzten. Dort lebten angeblich Kannibalen. Im Norden erhoben sich Khurs Zähne, die sich im Osten mit den Halorianbergen verbanden. Der gefährliche, mit Eis bedeckte Ruinenpass war kein Weg, über den man eine Armee führen konnte.
    Kell jedoch musste diesen Pass überwinden. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich nach Gosland durchzuschlagen und von dort aus nach Süden zu reiten. So ließ sie ihr Pferd die Hacken spüren, galoppierte nach Norden und hielt erst an, als die Dunkelheit sich über das Land senkte und die Müdigkeit sie beide übermannte.
    Fünf Tage und Nächte lief und ritt Kell und streckte ihre Rationen, so gut sie konnte. Sie wollte nicht die Siedlungen betreten, die sie unterwegs sah, sondern hielt sich lieber abseits der Wege und reiste durch die Einsamkeit der Wildnis. Sie kam relativ leicht voran, und mit jedem Tag kehrte etwas Kraft in ihren Arm zurück, während sich die Prellungen der Rippen gelb färbten und verblassten. Allerdings fuhr bei jedem Atemzug ein scharfer Schmerz durch ihren Brustkorb. Wahrscheinlich

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