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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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aufgewärmt, damit er sich waschen konnte. Vielleicht hatten sie ihm sogar eine Gefährtin für die Nacht besorgt. Das könnte er jetzt gut gebrauchen, denn Enthaltsamkeit lag ihm nicht.
    In der Villa war es kühl. Marmor schimmerte im Licht der Laternen, aus dem Gang hinter der Terrasse drang das Plätschern der Springbrunnen herüber. Als er leise durch den Gang wanderte, bemerkte er im Säulengang rings um den Garten, der in der Mitte seines bescheidenen, aber bequemen Wohnsitzes lag, eine Bewegung. Er begrüßte den Diener, der ihn einigermaßen besorgt betrachtete, bevor er ihn in sein großes Empfangszimmer führte. Anscheinend hatte er Besuch.
    Ein wenig gereizt eilte er in den Raum, dessen nackter Steinboden mit einigen Läufern bedeckt war. Rechts standen die Fenster in der warmen Nacht offen. Drei Gäste saßen gegenüber seiner eigenen Liege auf Stühlen mit gerade Lehnen. Essen und Wein standen unberührt zwischen ihnen auf dem Tisch. Es lief ihm kalt den Rücken hinunter, und er schauderte vor Furcht.
    »Guten Abend, Orin. Ich hoffe doch, deine Reise ist erfreulich verlaufen.«
    »Kanzlerin Koroyan«, erwiderte D’Allinnius. »Welch angenehme Überraschung.« Er fand sogar den Mut, eine beißende Bemerkung anzuschließen. »Seid Ihr gekommen, um meine sichere Rückkehr und meine fortwährende Gesundheit zu segnen? Das wäre aber wirklich nicht nötig gewesen.«
    Koroyan lächelte nicht. Sie rückte ihre Kleider zurecht, während die beiden Männer in den Gewändern der Sprecher links und rechts neben ihr, die im Grunde nur Schlägertypen waren, ihn unverhohlen drohend anstarrten.
    »Setz dich doch. Ich will mir nicht den Hals verrenken, wenn ich dich ansehe.«
    D’Allinnius dachte über eine scharfe Antwort nach, doch dann fügte er sich, nickte und nahm Platz. Er presste die Hände zusammen, um das Zittern zu verbergen. Da er nun vor ihr saß, nahm seine Furcht noch weiter zu. Kalte Verachtung lag in ihren Augen, und dahinter brannte Fanatismus.
    Bisher war D’Allinnius ihr stets aus dem Weg gegangen. Ihm missfiel die Durchsetzung der Doktrin des Allwissenden, wie die Kanzlerin ihn vertrat, obwohl andere Religionen und auch der Atheismus, dem er selbst anhing, offiziell zugelassen waren.
    »Wir wollen eines unmissverständlich klarstellen«, sagte die Kanzlerin. »Ich kann dich persönlich so wenig leiden wie deine Einmischung in Gottes Schöpfung, die dir im Namen der Wissenschaft und der Ingenieurskunst gestattet ist. Ich empfinde keinerlei Achtung für einen Beruf, der es zu seinen Aufgaben zählt, meinen Glauben offen infrage zu stellen. Wie dir bewusst ist, nehmen mich die Aufgaben meiner Position im Übrigen stark in Anspruch.«
    »Ich glaube, die Advokatin …«
    »Die Advokatin ist nicht hier. Ich dagegen schon.« Die Kanzlerin hielt einen Moment inne und starrte ihn an. »Du wirkst verängstigt, Orin. Das finde ich beunruhigend. Schließlich bin ich nur die von der Advokatin ernannte Vertreterin Gottes auf dieser Erde. Von mir hast du doch gewiss nichts zu befürchten.«
    D’Allinnius wurde die Kehle eng. Er langte nach dem Wasserkrug und presste die Lippen fest zusammen, während er das Zittern seiner Hände zu unterdrücken suchte.
    »Ich habe nicht mit Euch gerechnet, das ist alles«, sagte er mit trockenen Lippen. »Ich weiß nicht, warum Ihr hier seid.«
    »Und das macht dir Angst, nicht wahr, Orin? Dass jemand, der so wichtig ist wie ich, in deinem Haus auf dich wartet. Ich rechne damit, dass Diener sich vor mir fürchten, aber der Meisteringenieur der Advokatin? Was magst du nur Schlimmes getan haben?«
    D’Allinnius trank einen Schluck Wasser. Er schwitzte. Seine Gedanken rasten, und er rang verzweifelt um seine Fassung. Doch je mehr er zu sich kam, desto mehr unerfreuliche Gründe für die Anwesenheit der Kanzlerin schossen ihm durch den Kopf. Dabei hatte ihn die Advokatin persönlich Vertraulichkeit schwören lassen.
    »Ich habe nichts getan«, sagte D’Allinnius. »Abgesehen davon, dass ich meinen Pflichten nachgekommen bin, wie meine Advokatin es befohlen hat. Sie ist meine Gebieterin, nicht Ihr.« Das Letzte war nur noch ein Flüstern.
    Die Kanzlerin beugte sich leicht vor. »Versuche nicht, dich hinter der Toga der Advokatin zu verbergen. Die Gesetze, die auch die Ausübung anderer Religionen erlauben, existieren allein aus politischen Gründen in unwissenden Grenzgebieten. Sie gelten nicht hier, und sie gelten auch nicht in Caraduk. Ich werde jede Ketzerei gegen den

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