Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
Basilika in ganz Gosland anzuschlagen. Fehlgeleitet? Nein, das glaube ich nicht. Sie wähnten sich da draußen in der Nähe der Grenze wohl außer Reichweite der Einnehmer. Jetzt wissen alle, die in Gosland ähnlich denken, dass sie sich verrechnet haben. Was mir Sorgen macht, ist jedoch die Frage, warum sie es glaubten. Darüber müssen wir reden, bevor du dich zur Nachtruhe zurückziehst.«
»Ich habe dich lange genug aufgehalten, was?«
»Ja, meine Advokatin.«
Herine seufzte und schenkte sich nach. Jhered wollte keinen Wein mehr trinken, sondern goss sich lieber Wasser in den Kelch. Sie hatte den Eindruck, für einen Tag genügend Probleme gehört zu haben, dabei waren Jhereds Sorgen vermutlich die dringendsten.
»Worüber sollte ich mir nun Gedanken machen?«
»Vieles, was ich seit Solas bis in den Dusas gehört und gesehen habe, sagt mir, dass die Konkordanz Mühe hat, in den Außenbereichen für Ordnung zu sorgen.«
Herine fuhr erschrocken auf, als hätte jemand ihr eine Ohrfeige versetzt. Unwillkürlich errötete sie, und in ihrem Bauch ballte sich der Zorn zusammen.
»Du meinst das ernst, nicht wahr?«
»Sonst wäre ich nicht hierhergekommen. Da draußen in der Wildnis gibt es Schwierigkeiten, um die ich mich eigentlich kümmern müsste.«
»Ich verstehe das nicht. Die Feldzüge gehen doch gut vonstatten.«
»Das ist richtig, aber du erhältst von den Grenzen nur unvollständige Informationen. Dort gibt es Schwierigkeiten, die bis weit in die Konkordanz hineinwirken werden, falls die Kanzlerin recht behält. Auch dürften deine Berichte während der Feldzüge nicht so lückenhaft sein. Schließlich unterhält die Advokatur einen eigenen Botendienst, und die Straßen und Seewege nach Tsard sind gesichert, selbst durch Atreska hindurch.«
»Paul, du klingt beinahe herablassend. Ich sehe mehr als nur diese vier Wände.« Herine räusperte sich und seufzte. »Sag es mir einfach und sei nicht so weitschweifig.«
Jhereds Augen wurden ein wenig kälter, und Herine bekam eine Ahnung, warum er so gefürchtet wurde. Ein Feind hätte diesen Ausdruck nicht sehen wollen.
»Du wirst dich erinnern, dass ich vor vier Jahren, ganz zu Anfang des Feldzugs gegen Tsard, zusammen mit den Schatzkisten aus Atreska einen Bericht geschickt habe, in dem von tsardonischen Überfällen bis tief nach Atreska hinein die Rede war. Die Folgen eines solchen Überfalls konnte ich selbst besichtigen. Damals war ich der Ansicht, dies sei eben der Preis der Expansion, und es würde aufhören, sobald der tsardonische Feldzug Fortschritte machte. Das war aber nicht der Fall.
Die Überfälle auf Atreska haben nicht aufgehört, und nach den Berichten meiner Gruppen und aufgrund verschiedener Hinweise muss ich sogar davon ausgehen, dass sie an Brutalität zunehmen und dass die Vorstöße immer tiefer nach Atreska hinein vorgetragen werden. Die Folge ist, dass unverteidigte Siedlungen aufgegeben werden, weil immer mehr Leute den Schutz der größeren Orte suchen. Das wirkt sich unweigerlich nachteilig auf die Steuern und den Handel aus. Noch schlimmer ist, dass unsere Nachschubwege für die Legionen in Tsard gefährdet sind, wenn die Grenzorte zerstört werden. Ich bezweifle nicht, dass Marschall Yuran dir genau die gleichen Dinge erzählen und um eine Minderung der Steuern und eine Reduzierung der Zahl von Bürgern bitten wird, die für die Alae in Tsard rekrutiert werden, damit er sein eigenes Land besser verteidigen kann.«
Herine wollte etwas erwidern, doch eine kleine Geste von Jhered unterbrach sie. Ihr Zorn wuchs. Die Eroberung von Tsard durfte nicht infrage gestellt werden.
»Wir wissen beide, dass Yuran zu drastischen Übertreibungen neigt und viele Angehörige seines Volks die Aufnahme in die Konkordanz ablehnen. Allerdings höre ich ganz ähnliche Geschichten aus Gosland und vor allem auch aus Gestern.
Du weißt, dass ich mich in der Primatkammer gegen den tsardonischen Feldzug ausgesprochen habe. Uns fehlt es an Unterstützung, wir haben nicht genug Kämpfer im Feld und nicht so viele Milizen, wie wir brauchen würden. Die Probleme in Gestern kann man nicht einfach mit einem Achselzucken abtun.«
Das gefiel Herine überhaupt nicht. Gestern. Durch das Land lief der Handel mit Kark, ohne dessen Metalle und Mineralien die Konkordanz schrecklichen Schaden nehmen würde. Jhered fuhr fort.
»Ich habe mehrere Tage bei Marschallin Mardov verbracht, ehe ich hierher zurückgekehrt bin. Sie musste in Gestern eine neue Legion
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