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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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»Das ist wirklich eine gute Neuigkeit. Vasselis wurde nicht wegen Ketzerei hingerichtet und lebt. Das ist gewiss ein Schritt in die richtige Richtung.«
    Genna kicherte. »Darin wird er dir sicherlich zustimmen. Nun komm, ich überlasse ihn dir und kümmere mich darum, dass Netta und Kovan in ihrer Villa gut untergebracht werden.«
    »Kovan wirst du wohl dort finden, wo auch Mirron ist«, meinte Kessian. »Er wird froh sein, dass Gorian ihm vorübergehend nicht in die Quere kommen kann.«
    »Still, Ardol Kessian.«
    Kessian strahlte sie an. »Ich weiß noch genau, wie es war, als ich so alt und verliebt war. Freude und Schmerz sind zwei Seiten derselben Münze, und es gab ein Gebirge von dummen Gedanken und Gefühlen zu bezwingen. Ich beneide ihn nicht.«
    »Doch, das tust du«, sagte Genna.
    »Ja, das tue ich.«
     
    In einem der beiden marmornen Kamine des Esszimmers brannte ein von Pech und Holz gespeistes Feuer, das eine große Hitze in den Raum abstrahlte, um das überlastete Hypokaustum zu unterstützen. Marschall Vasselis war mit einem heulenden Wind im Rücken hergeritten, der nun die Richtung wechselte und bald vom Meer her wehen würde.
    Er hatte die Stulpenhandschuhe abgelegt und wärmte sich am Kamin die Hände. Den mit Pelz besetzten Mantel hatte er noch nicht geöffnet, und sein Blick ruhte auf dem Porträt Gorians über dem eleganten, verzierten Kaminsims. Als die Tür geöffnet wurde, drehte er sich um. Ardol Kessian kam langsam und sich schwer auf die Gehstöcke stützend herein. Seine Hüften taten inzwischen ständig weh, und er hatte in allen Gelenken die Gicht. Genna winkte kurz und schloss hinter ihrem Mann die Tür.
    Kessian wirkte hinfällig. Vasselis war lange Zeit fort gewesen, und inzwischen war der Vater der Autorität dem Tode erheblich näher gekommen. Wenigstens hatte er noch die Geburt der Kinder erleben dürfen, nachdem er sein Leben lang daraufhingearbeitet hatte. Vasselis überlegte, dass es vielleicht ein Segen war, wenn er nicht mehr lange genug lebte, um das zu erleiden, was kommen musste.
    »Ich bin alt geworden, was?«, sagte Kessian, während er sich auf einem der Stühle vor dem Kamin niederließ.
    Vasselis nickte und trat zu seinem alten Freund. »Hast du schon wieder meine Gedanken gelesen, Ardol?«
    »Nur dein Gesicht«, erwiderte Kessian.
    »Es ist mir noch nie gelungen, meine Gedanken vor dir zu verheimlichen«, sagte Vasselis. Dann wandte er sich zum Tisch um. »Sie haben Tee gebracht. Willst du eine Tasse? Für Wein ist es wohl noch ein wenig früh.«
    »Gerne, Arvan. Und herzlich willkommen.«
    Vasselis reichte ihm den Tee, eine duftende Kräutermischung, wärmend und süß. »Es gab Tage, an denen ich ernsthaft bezweifelt habe, ob du das jemals wieder sagen würdest. Es war schwierig, und ich fürchte, alles Bisherige war nur ein Vorspiel.«
    »Das war zu erwarten. Die Tatsache, dass du hier bist, bedeutet aber immerhin, dass die Advokatin bereit ist, uns anzuhören. Erzähle mir, was sie gesagt hat.«
    Vasselis fasste die Gespräche mit der Advokatin und Paul Jhered zusammen und schloss mit dem Bericht über seine Einladung in den Palast, als sie ihm ihre Entscheidung mitgeteilt hatten.
    »Als ich dorthin ging, wusste ich noch nicht, ob ich am Abend mit dem Schiff abfahren oder meine letzten Tage in einer Zelle unter meinen eigenen Schreibstuben in der Basilika verbringen würde«, erklärte er. Nur zu lebhaft konnte er sich an seine Aufregung und an die düsteren Gesichter seiner Freunde erinnern, die ihm gegenüber an einem Konferenztisch gesessen hatten. Die Zeit würde zeigen, ob er sie als Freunde verloren oder als vorübergehende Verbündete gewonnen hatte.
    »Warum hast du mit Jhered gesprochen?«, unterbrach Kessian ihn schließlich.
    »Er befehligt die stärksten Sicherheitskräfte in der Konkordanz«, sagte Vasselis. »Außerdem ist er ein alter Freund von mir, dem ich unser Leben anvertrauen würde. Genau das müssen wir tun. Wir stehen jetzt vor schwierigen Entscheidungen und schweren Prüfungen.
    Der einzige Grund, warum die Advokatin mich nicht gemeldet und der Kanzlerin übergeben hat – der einzige Grund, warum der Orden euch noch nicht überfallen hat –, ist Caraduks unbestrittene Bündnistreue gegenüber der Konkordanz. Auch die Geschichte der Familie Vasselis, die dafür gesorgt hat, dass diese Treue nie infrage stand, spielte eine Rolle, und natürlich die persönliche Wertschätzung und das Vertrauen, das man mir entgegenbringt. Ich will

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