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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Schaden zu durchdringen. Er rückte Knochensplitter an ihren Platz, öffnete verstopfte Blutgefäße und zog die Nervenenden an ihren Platz. Es war mühsam und ging schrecklich langsam.
    Er musste jeder Energiebahn jede winzige Veränderung förmlich abringen. Es war, als wollte er einen Schwarm von Aalen durch einen Irrgarten lenken, der sich rings um sie ständig veränderte und verlagerte, und sobald seine Aufmerksamkeit nachließ, fiel alles wieder in den vorherigen Zustand zurück.
    Der Schweiß tropfte von seiner Stirn, seine Achselhöhlen und sein Rücken waren nass. Sein ganzer Körper erwärmte sich, als er mehr und mehr seiner eigenen Energie hineingab. Inzwischen hatte er jeden Gedanken daran aufgegeben, die ungeordneten Energien des Zimmers zu nutzen. Das wäre zu viel gewesen für einen jungen Geist, der noch nicht gelernt hatte, diese Kräfte zu bündeln.
    Zur gleichen Zeit musste er sich sehr bemühen, seine Erregung im Zaum zu halten, denn unter seinen Fingern mit den roten und gelben Umrissen hellten sich die schwarzen und grauen Bereiche auf und verblassten.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte er, während er scharf einatmete.
    »Es brennt«, sagte Arducius, der ganz ruhig schien. »Aber es tut nicht weh.«
    »Das ist gut«, antwortete Ossacer. »Glaube ich.« Das Zentrum des Bruchs hielt ihn länger auf. So viele Haarrisse und verschobene Knochenstücke. Arducius hatte gesagt, es würde wehtun, aber er musste Höllenqualen gelitten haben. Ossacer schob die Schuldgefühle beiseite, die auf einmal in ihm erwacht waren, und lenkte noch mehr seiner eigenen Energie in die Arbeit. Schon ließen seine Kräfte nach, und wo die Schweißtropfen über seine Wangen rannen, spürte er die trockene Haut des Alters.
    Es war noch nicht genug, er musste noch mehr tun, wenn er beide Handgelenke heilen wollte. Der Ellenbogen, der nicht gebrochen, sondern nur geschwollen war, musste warten.
     
    Steif und müde erwachte Shela Hasi, als die bleiche, helle Morgendämmerung durch die Lamellen der Fensterläden drang. Mit einer Hand massierte sie sich den Nacken und sah sich blinzelnd um. Das Gähnen blieb ihr im Halse stecken.
    Arducius hatte seine Schienen abgerissen, saß auf Ossacers Bett und hielt dessen Hand. Ossacers Kopf war gerade noch zu erkennen. Sein Gesicht war faltig und zerfurcht, auf dem Kopf hatte er graue Haare. Er bewegte sich kaum, aber Arducius strahlte bis über beide Ohren. Er war nicht mehr krank und bleich, in seinen Augen strahlte eine neue Lebenskraft.
    »Schau nur, was er gemacht hat«, sagte er. »Schau, was er gemacht hat.«
    Shela starrte ihn fassungslos an und wusste nicht, ob sie vor Freude weinen oder vor Furcht aufschreien sollte.

 
16

     
    847. Zyklus Gottes, 35. Tag des Dusasab
    14. Jahr des wahren Aufstiegs
     
    A ls Kessian an diesem Morgen Gorians Zimmertür öffnete, strahlte die Dusassonne blendend hell auf den verharschten Schnee und fiel durch die offenen Läden herein.
    Gorian saß an seinem kleinen Schreibtisch und las einen Text des Aufstiegs über die Disziplin der Landhüter, die möglichen Weiterentwicklungen und die Anwendungen. Kessian hatte den Text vor mehr als vier Jahrzehnten selbst geschrieben. Die Tatsache, dass Gorian in etwas vertieft war, das er sonst als alberne Weitschweifigkeiten beurteilte, war an diesem sorgenvollen Tag eine kleine Freude.
    Gorians Tunika war wie die von Kessian mit der roten Schärpe des Aufstiegs geschmückt. Seine Füße waren nackt und wippten müßig auf dem warmen, von unten beheizten Stein. Er schaute erst auf, als Kessian sich langsam auf das Bett des Jungen gesetzt hatte.
    »Woher wusstest du vor so langer Zeit, dass wir jemals existieren würden?«, fragte Gorian mit belegter Stimme.
    Er sah schrecklich aus. Seine Augen waren rot und verquollen, weil er sich die Tränen weggerieben hatte, und die dunklen Ringe zeugten von einer schlaflosen Nacht. Kessian war beruhigt, dass Gorian in der Stille und der Dunkelheit doch noch Schuldgefühle und Reue in sich entdeckt hatte. Besorgt war er, weil der Junge seiner Mutter am vergangenen Abend keines dieser Gefühle gezeigt hatte.
    »Dein Namensvetter hat die Entwicklungen vorhergesehen und über jeden Vorfall berichtet. Aufgrund dieser Vielzahl von Beobachtungen konnten wir schließlich herausfinden, wo das Potenzial besonders stark und die Logik besonders zwingend war. Auf diese Art und Weise werden in der Wissenschaft Entdeckungen gemacht und Fortschritte erzielt.«
    Gorian runzelte die

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