Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
wollen. Auch das ist keine Überraschung. Ich brauche Jorganesh. Wir haben lange nichts von ihm gehört. Er hat vier Legionen und ist gegen schwächere Verbände angetreten, auch wenn die Steppenkavallerie immer ein schwieriger Gegner ist. Wenn er meine Festungen schützt, dann will ich mich zufrieden geben. Ohne ihn werde ich den Dusas kaum überstehen. Die Tsardonier haben viele Schiffe in der Bucht von Harryn. Ich kann meine Legionen und meine Marine nicht von der Küste abziehen, weil ich eine Invasion von See her fürchten muss. Du kennst doch die Probleme, Paul. Zu wenig Kräfte, ein viel zu großes Gebiet. Scintarit und Atreska waren die entscheidenden Stellungen, und jetzt sind beide verloren. Was du auch tun kannst, du musst es rasch tun.«
Arducius beobachtete Jhered. Offenbar hatte ihn diese Neuigkeit überrascht. Er hatte ihnen gegenüber den Druck erwähnt, unter dem Gestern stand, aber mit so etwas hatte er sicher nicht gerechnet.
»Ich hatte gehofft, Jorganesh sei inzwischen schon hier«, sagte er leise.
»Nein«, erwiderte Mardov. »Meine Späher können ihn nirgends finden, und meine Kontaktleute aus Kark verraten mir nichts. Ich bete, dass er in Atreska ist und vielleicht gegen Feinde kämpft, von denen ich noch nichts weiß. Draußen im Hafen verladen wir keine Waren mehr, sondern organisieren eine Evakuierung. Diese Stadt verwandelt sich in ein Feldlager.« Zweifelnd betrachtete sie die Aufgestiegenen. »Sie sind nur vier, so mächtig sie deiner Ansicht nach auch sind. Wenn Jorganesh ausfällt, kommen über fünfunddreißigtausend Tsardonier hierher, und gegen eine so große Zahl kann ich mich nicht verteidigen. Nicht einmal, wenn ich an meiner ganzen Nordgrenze eine Mauer errichten könnte. Paul, wohin willst du mit ihnen?«
Jhered holte tief Luft. »Ich muss Roberto Del Aglios finden und ihn dazu bringen, die Aufgestiegenen zu akzeptieren. Nur so können wir sie einsetzen, ohne dass der Orden oder die Heere gegen sie aufbegehren. Ich muss in Richtung der sirranischen Grenze zu seiner letzten bekannten Position. Ich dachte, ich bewege mich an der karkischen Grenze und dann am Seengebiet entlang.«
»Bei Gott, der uns alle umfängt«, sagte Mardov. Wieder warf sie einen Blick zu den Aufgestiegenen. Jhered gab ihr mit einer Geste zu verstehen, sie solle fortfahren. »Bist du verrückt? Sirrane ist unendlich weit entfernt, und du unterstellst dabei, dass Roberto noch dort ist. Wenn er von der Niederlage in Scintarit erfahren hat, dann ist er entweder durch Gosland auf dem Rückweg oder geht direkt zu den Furten.«
»Das wäre wirklich ein Segen.«
»Anscheinend verlässt du dich darauf, dass es so kommen wird.« Jhered zog die Augenbrauen hoch und nickte leicht. »Ich verstehe, was du denkst, Paul, aber realistisch ist es nicht. Du kannst jetzt nicht durch Atreska reisen. Sogar meine besten Späher werden dort aufgegriffen. Überall sind tsardonische Kundschafter unterwegs. Wo sie nicht sind, musst du mit atreskanischen Verrätern rechnen.«
»Was schlägst du dann vor, Katrin?«
»Du hast eigentlich nur eine einzige Möglichkeit, wenn du nach Tsard willst, aber dann kannst du nicht alle mitnehmen, die auf deinem Schiff mitgekommen sind. Du, diese vier und ein paar andere, mehr nicht. Denn sonst halten sie dich für ein Überfallkommando und schlachten dich ab, bevor du auch nur eine Meile weit gekommen bist.« Sie zuckte mit den Achseln. »Du musst durch Kark reisen.«
Das Forum von Gullford war voll tsardonischer Soldaten. Anscheinend gab es nicht genug Bier und Wein für alle, also würden sie wieder Ärger machen. Genau wie am Abend nach Atreskas so genannter Befreiung. Die Tsardonier hatten sich schlafen gelegt, wo sie gerade waren, und die Basilika als Verwaltungsgebäude und Offiziersquartier benutzt. Sie hatten alles genommen und nichts bezahlt. Und dies sollte man nun der Herrschaft durch die Konkordanz vorziehen.
Han Jesson vernahm die gleichen Ausflüchte, die Yuran ihnen schon seit einem Jahrzehnt auftischte. Dass der Frieden und der Wohlstand dem Krieg und der Not folgen würden. Er stand mit Prätorin Gorsal auf der Treppe des Forums. Ihre Worte hörte er zwar, aber er sah auch, wie angespannt ihr Lächeln war.
»Du musst ihnen etwas Zeit geben.«
»Und was fangen sie damit an?«, erwiderte er. »Zerstören sie dann auch noch den Rest der Stadt, der bisher nicht verwüstet wurde? Sieh dich um. Das ist keine Befreiung, das ist eine Besetzung.« Eine kalte Faust schien
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