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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Euer mutiges Einschreiten hätten sie Grit getötet.»
    Ludwig stimmte mit einem selbstgefälligen Nicken zu. «Wie schlimm sind die Wunden? Werden sie wieder heilen?» Er wusste, dass Kathi mit der Zubereitung von Heilsalben vertraut war. Sie konnte die Verletzungen besser einschätzen als er.
    «Bei guter Versorgung und Pflege sollten sie in ein paar Tagen abgeheilt sein.»
    Grit war noch immer ohne Bewusstsein. Kathi machte den Schmerz, den sie erlitten hatte, dafür verantwortlich.
    «Wir müssen sie irgendwo hinschaffen, wo sie sicher ist.»
    Ludwig dachte nicht lange nach. «Ich bringe sie ins Kloster.»
    «Aber Ihr seid ein Priester. Was werden die Leute davon halten?»
    Noch immer unter dem Eindruck seines Triumphs, tat Ludwig den Einwand ab.
    «Um die scher ich mich nicht. Wichtig ist, dass Grit wieder gesund wird. Im Kloster gibt es eine leerstehende Kammer. Dort hat sie die Ruhe, die sie braucht.»
    «Wie Ihr meint.» Kathi stand auf. «Ich werde Heilsalben zubereiten und Kräuter besorgen. Heute Abend komme ich damit zu Euch.»
    Ludwig war einverstanden und hob Grit auf.
    «Dieses Mädchen, Anna», fragte Kathi, «wo ist sie jetzt?»
    «In der Kanzlei, denke ich. Aber sie soll ins Juliusspital gebracht werden, wo sich die ehrwürdigen Schwestern um sie kümmern werden.»
    Kathi bedankte sich für die Auskunft. Dann sah sie Vikar Ludwig nach, der die bewusstlose Grit quer über den Marktplatz ins Kloster Neumünster trug. Das war eine mutige Entscheidung.
    Als Nächstes musste sie sich um diese Anna kümmern. Wie konntest du Felicitas Dornbusch auf dem Schalksberg sehen, wenn du nicht selbst dort warst?
    Diese Frage galt es schnell zu klären, bevor noch mehr Kinder ihren Hexenflug für sich nutzten. Sie musste alles über diese Anna in Erfahrung bringen. Wer war sie? Was brachte sie dazu, Felicitas Dornbusch der Buhlschaft mit dem Teufel zu bezichtigen?
    «Da bist du ja», hörte sie eine vertraute Stimme.
    Es waren Barbara und Otto. Eigentlich hatte Kathi sie erst später wiedersehen wollen, wenn die Ereignisse ihren Lauf genommen hatten. Für zu große Offenheit war es noch zu früh.
    «Wie geht es euch?»
    «Uns geht es gut», antwortete Otto, «aber was ist mit dir?»
    Ohne eine Antwort zuzulassen, schob Barbara hinterher: «Stimmt es, was die Leute sagen? Babettes Geist hat dich zum Schalksberg entführt?»
    Kathi konnte nicht anders, als ihre zwei besten Freunde zu belügen. «Ja», sagte sie, «er kam in der Nacht zu mir in die Stube …»
    Dann erzählte sie ihnen das Gleiche, was sie schon Dürr erzählt hatte. Wohl war ihr nicht dabei. Im Gegenteil, sie fühlte sich hundsmiserabel, als sie ihre Freunde anlog. Aber es musste sein. Andernfalls würde sie sie noch in Gefahr bringen.
    Barbara und Otto hörten gespannt zu. Sie kannten Kathi gut und wussten, dass sie nicht zu Übertreibungen neigte und schon gar nicht zur Lüge. Wenn sie etwas sagte, dann hatte es Hand und Fuß.
    Am Ende ihres Berichts standen Barbara und Otto fassungslos vor ihr. «Du hast tatsächlich den Teufel gesehen?», fragte Otto, und Barbara schob nach: «Die Hexen … sind sie wirklich so, wie man sie beschreibt?»
    Jetzt war es genug. Sie wollte nicht länger über letzte Nacht sprechen. Stattdessen fiel ihr auf, dass die beiden eigentlich gar nicht hier sein durften. «Solltet ihr nicht bei eurer Arbeit sein?»
    Sie schüttelten den Kopf und berichteten ihrerseits von den Geschehnissen, die sie beobachtet hatten.
    «Du hättest sehen sollen, wie Meister Dürr angerannt kam, um seine eigene Mutter zurechtzuweisen», sagte Otto.
    «Und außerdem», ergänzte Barbara, «waren nicht nur alle Erwachsenen auf den Beinen, sondern auch die Kinder. Selbst die, die wir sonst nie sehen, wollten sich den Spaß nicht entgehen lassen.»
    Ob es sich dabei um einen Spaß handelte, bezweifelte Kathi. Sie hatte wohl damit gerechnet, dass ihre Beschuldigungen die Erwachsenen aufrütteln würden, aber die Kinder? Nein, die waren in ihrem Plan nicht vorgesehen, genauso wenig wie diese Anna, die sich ihre Geschichte zu eigen machte.
    «Kennt ihr jemanden im Kinderhaus?»
    Barbara und Otto zuckten die Schultern.
    «Oder im Juliusspital?»
    «Die älteste Tochter meines Meisters hilft dort in der Küche aus», sagte Otto.
    «Kannst du mich ihr vorstellen?»
    «Warum?»
    «Ich glaube, da ist noch ein anderer Geist unterwegs.»

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    16
    Kathi erschrak vor dem Bild Julius Echters von Mespelbrunn. Er schaute drohend auf sie

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