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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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verweigert.
Das sind die Worte unseres Herrn Jesus Christus und nicht der Hass und die Wut auf reumütige Sünder.»
    Sein drohender Blick ging reihum. «Sie kam zu mir in ihrer dunkelsten Stunde und bat um Vergebung ihrer schlimmen Sünden. Und ja, auch ich war zu Anfang zögerlich. Wie konnte ich diesem liederlichen Weibsbild die Vergebung unseres Herrn in Aussicht stellen, wenn sie Tag für Tag seine Gesetze brach? Doch dann entsann ich mich der falschen Schriftgelehrten und Pharisäer, die zu Jesus kamen, um ihn auf die Probe zu stellen.
    Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. Was sollen wir mit ihr tun. Mose hat uns geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du?
Doch Jesus erkannte ihr falsches Zeugnis und sprach:
Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.
Und da gingen sie fort, einer nach dem anderen,
die Ältesten zuerst
, bis Jesus ganz alleine mit der Sünderin war.
    Nun sagt mir: Wer von euch wagt es, auf dieses Kind den ersten Stein zu werfen? Er möge hervortreten und tun, was ihm sein Glauben und sein Gewissen befehlen.»
    Eine gespannte Stille trat ein. Wer noch wenige Minuten zuvor die Hand gegen Grit erhoben hatte und sie lieber tot als lebendig sehen wollte, erstarrte jetzt und wagte es nicht, sich gegen die Worte des Herrn zu stellen.
    «Niemand?», fragte Ludwig. «Mag tatsächlich niemand mehr das tun, von dem er glaubt, es sei das einzig Richtige?»
    Ein selbstzufriedenes Lächeln spiegelte sich auf seinen Lippen. Er hatte gewonnen. Er hatte tatsächlich die Bürger in einem Kampf auf Leben und Tod besiegt.
    «Nun denn, so sei es. Gehet fort und tut Buße. Gedenkt dabei der Worte unseres Herrn, die er zu Thomas, dem Ungläubigen, gesprochen hat:
Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind die, die nicht sehen und dennoch glauben.
»
    Doch so schnell wollte sich die Menge nicht vertreiben lassen. Sie fragten: «Wer ist das andere Kind, das Felicitas Dornbusch auf dem Schalksberg gesehen haben will?»
    «Es ist ein Kind aus dem Kinderhaus», antwortete Ludwig.
    «Aus dem gleichen, in dem Felicitas barmherzige Hilfe leistet?»
    Ludwig nickte. «So hat es mir Meister Dürr gesagt.»
    Sie bedrängten ihn. «Wie heißt es? Komm, sagt es uns.»
    «Der Name wird euch nichts nützen. Sie ist das Kind einer Auswärtigen.»
    «Wer ist sie?», drohte einer. «Sprich endlich, bevor du den Stock kennenlernst.»
    «Das Kind heißt Anna, und ihre Mutter stammt aus Wertheim.»
    «Wie kann Meister Dürr einer Fremden glauben?»
    «Sie ist nicht fremd. Ihre Tante ist die Aumännin, die ihr alle noch kennt.»
    «Die hat doch die Pest geholt», rief einer. Und ein anderer: «Ihrer Schwester und ihrem Mann erging es nicht besser. Sie haben sich bei ihr angesteckt.»
    «Und darum kam das Kind nach Würzburg ins Heim», führte Ludwig fort. «Ihre Verwandtschaft ist tot.»
    «Aber das kann doch kein Grund sein», protestierte einer, «dass wir dem Kind glauben sollen.»
    «Meister Dürr sagt, ihre Angaben decken sich mit denen von Grit und dem anderen Kind.»
    Er unterließ es, Kathis Namen zu nennen. Dennoch wusste jeder, um wen es sich handelte. Helene, die sich auch in der Menge befand, wurde rot. Die, die sie kannten, betrachteten sie, als sei sie eine Aussätzige.
    «Dann sind das schon drei Kinder, die letzte Nacht von der Hexe geholt wurden», sagte eine Frau bestürzt. «Wie soll das nur weitergehen?»
    Damit richtete sich die Aufmerksamkeit der Bürger wieder auf ihr eigenes Schicksal. Der Solidarität mit Felicitas Dornbusch war vorerst Genüge getan.
    «Geht nach Hause», rief Ludwig ihnen zu, «und achtet auf eure Kinder. Unterweist sie streng in der Lehre unseres Herrn Jesus Christus. Gebt nicht nach, auch wenn sie müde oder aufsässig werden. Lasst sie die Zehn Gebote sprechen, das Vaterunser und das Glaubensbekenntnis. Jetzt gilt es. Wer in der Zucht der Kinder nachlässt, öffnet dem Teufel die Tür zu seinem Haus.»
    Einige bekreuzigten sich, andere drehten ihm missmutig den Rücken zu. Doch alle gingen sie.
    Kathi, die sich hinter einer Häuserecke versteckt gehalten hatte, wagte sich aus ihrem Versteck und lief auf die am Boden liegende Grit zu. Ludwig erkannte seine Schülerin unter dem Kopftuch zuerst nicht. Als sie es abgenommen hatte, um sich über Grit zu beugen und deren Wunden zu untersuchen, war er überrascht.
    «Kathi, was machst du hier?»
    «Ich habe alles mit angehört. Ihr habt treffende Worte gebraucht, werter Vikar. Ohne

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