Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition)
besprechen muss. Eine Familienangelegenheit. Aber wir können warten, bis ihr Spiel zu Ende ist.«
»Und der Name der Dame?«
»Den kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich ihn nicht weiß. Aber ich kann sie beschreiben. Ich würde sagen, sie ist ungefähr dreißig, von mittlerer Größe, mit dunklem Haar, das sie nach hinten frisiert trägt. Sie ist in Gesellschaft zweier junger Männer. Und sie ist ganz in Weiß gekleidet.«
»In La Residencia gibt es eine Reihe von Damen, auf die diese Beschreibung zutrifft und von denen einige Tennis spielen. Tennis ist eine recht beliebte Freizeitbeschäftigung.«
Der Junge zieht ihn am Ärmel. »Erzähl ihm von dem Hund«, flüstert er.
»Dem Hund?«
Der Junge nickt. »Der Hund, den sie dabeihatten.«
»Mein junger Freund sagt, sie haben einen Hund«, wiederholt er. Er selbst kann sich an keinen Hund erinnern.
»Aha!«, sagt der Pförtner. Er zieht sich in seinen Unterschlupf zurück und zieht die Glastür hinter sich zu. In dem trüben Licht können sie sehen, dass er dort in Papieren blättert. Dann nimmt er einen Telefonhörer zur Hand, wählt eine Nummer, lauscht, legt den Hörer wieder auf und kehrt zurück. »Tut mir leid, mein Herr, es antwortet niemand.«
»Das kommt, weil sie auf dem Tennisplatz ist. Können wir nicht einfach zum Platz gehen?«
»Bedaure, aber das ist nicht gestattet. Unsere Anlagen sind Besuchern nicht zugänglich.«
»Dürfen wir dann hier warten, bis sie das Spiel beendet hat?«
»Bitte sehr.«
»Dürfen wir im Garten spazieren gehen, während wir warten?«
»Bitte.«
Sie schlendern in den überwucherten Garten.
»Wer ist die Frau?«, fragt der Junge.
»Hast du sie nicht erkannt?«
Der Junge schüttelt den Kopf.
»Hast du nicht eine seltsame Regung in der Brust verspürt, als sie uns angesprochen hat, als sie Hallo gesagt hat – ging es dir nicht irgendwie zu Herzen, als könntest du sie schon früher gesehen haben, an einem anderen Ort?«
Zweifelnd schüttelt der Junge den Kopf.
»Ich frage, weil die Frau vielleicht genau die Person ist, nach der wir suchen. Zumindest sagt mir das mein Gefühl.«
»Wird sie meine Mutter sein?«
»Ich weiß es nicht mit Sicherheit. Wir werden sie fragen müssen.«
Sie vollenden ihren Rundgang durch den Garten. Wieder am Pförtnerhaus angelangt, pocht er an die Glastür. »Würden Sie so freundlich sein, die Dame noch einmal anzurufen?«, fragt er.
Der Pförtner wählt eine Nummer. Diesmal wird der Anruf angenommen. »Ein Herr am Tor möchte Sie sprechen«, hört er ihn sagen. »Ja … ja …« Er wendet sich zu ihnen. »Sie haben doch gesagt, es handele sich um eine Familienangelegenheit, nicht wahr?«
»Ja, eine Familienangelegenheit.«
»Und der Name?«
»Der Name spielt keine Rolle.«
Der Pförtner schließt die Tür und setzt das Gespräch fort. Schließlich kommt er heraus. »Die Dame will sie empfangen«, sagt er. »Es gibt aber ein gewisses Problem. Kindern ist der Zutritt zur Residencia nicht gestattet. Leider muss ihr kleiner Junge hier warten.«
»Das ist seltsam. Warum haben Kinder keinen Zutritt?«
»Keine Kinder in der Residencia. Das ist Vorschrift. Ich mache die Vorschriften nicht, ich wende sie nur an. Er wird hierbleiben müssen, während Sie Ihren Familienbesuch machen.«
»Wirst du bei diesem Herrn hier bleiben?«, fragt er den Jungen. »Ich komme zurück, sobald ich kann.«
»Nein«, sagt der Junge. »Ich will mitkommen.«
»Das verstehe ich. Aber ich bin sicher, sobald die Dame hört, dass du hier draußen wartest, wird sie mit rauskommen und dich sehen wollen. Wirst du also ein großes Opfer bringen und bei diesem Herrn hier bleiben, nur für eine kleine Weile?«
»Kommst du bestimmt zurück? Versprichst du es?«
»Natürlich.«
Der Junge schweigt, will ihn nicht ansehen.
»Können Sie nicht in diesem Fall eine Ausnahme machen?«, fragt er den Pförtner. »Er wird ganz still sein, er wird niemanden belästigen.«
»Tut mir leid, mein Herr, keine Ausnahmen. Wo würden wir hinkommen, wenn wir Ausnahmen machen würden? Bald würde jeder eine Ausnahme für sich fordern, und dann blieben keine Vorschriften mehr übrig, oder?«
»Du kannst im Garten spielen«, sagt er dem Jungen. Zum Pförtner: »Er darf doch im Garten spielen?«
»Natürlich.«
»Kletter doch auf einen Baum«, sagt er dem Jungen. »Hier gibt es eine Menge guter Kletterbäume. Ich bin im Handumdrehen zurück.«
Nach den Anweisungen des Pförtners überquert er den Hof, geht durch ein zweites
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