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Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition)

Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition)

Titel: Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.M. Coetzee
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schwere Säcke zu schleppen wie Lasttiere
.
    »Der Junge und ich müssen uns beeilen«, sagt er. »Wir müssen bis sechs Uhr wieder im Zentrum sein, sonst müssen wir im Freien schlafen. Soll ich morgen früh wiederkommen?«
    »Natürlich, natürlich. Du hast es gut gemacht.«
    »Und kann ich einen Vorschuss auf meinen Lohn bekommen?«
    »Das geht leider nicht. Der Zahlmeister macht seine Runde nicht vor Freitag. Aber wenn du knapp bei Kasse bist« – er gräbt in seiner Tasche und bringt eine Handvoll Münzen heraus –, »hier, nimm, was du brauchst.«
    »Ich bin nicht sicher, was ich brauche. Ich bin neu hier, ich habe keine Ahnung von den Preisen.«
    »Nimm alles. Du kannst es mir am Freitag zurückzahlen.«
    »Vielen Dank. Das ist sehr freundlich von dir.«
    Es ist wahr. Ein Auge auf deinen
jovencito
zu haben, während du arbeitest, und es damit zu krönen, dir Geld zu leihen – das würde man von einem Vorarbeiter nicht erwarten.
    »Nicht der Rede wert. Du würdest genauso handeln. Auf Wiedersehen, junger Mann«, sagt er zum Jungen gewandt. »Morgen früh in alter Frische.«
    Sie erreichen das Büro, als die Frau mit dem griesgrämigen Gesicht gerade dabei ist zu schließen. Keine Spur von Ana.
    »Wie steht’s mit unserem Zimmer?«, fragt er. »Haben Sie den Schlüssel gefunden?«
    Die Frau runzelt die Stirn. »Gehen Sie die Straße hinunter, nehmen Sie die erste Abbiegung rechts, halten Sie Ausschau nach einem langen, flachen Gebäude, es ist das Haus C . Fragen Sie nach Señora Weiss. Sie wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen. Und fragen Sie Señora Weiss, ob Sie die Waschküche benutzen können, um Ihre Sachen zu waschen.«
    Er versteht den Wink und wird rot. Nach einer Woche ohne Bad hat das Kind angefangen zu riechen; bestimmt riecht er noch schlimmer.
    Er zeigt ihr sein Geld. »Können Sie mir sagen, wieviel das ist?«
    »Können Sie nicht zählen?«
    »Ich meine, was kann ich damit kaufen? Kann ich eine Mahlzeit bezahlen?«
    »Das Zentrum stellt keine Mahlzeiten bereit, nur Frühstück. Aber sprechen Sie mit Señora Weiss. Schildern Sie Ihre Situation. Vielleicht kann sie Ihnen helfen.«
    C - 41 , Señora Weiss’ Büro, ist zu und verschlossen wie zuvor. Aber im Untergeschoss, in einem Winkel unter der Treppe, der von einer einzigen nackten Glühbirne erhellt wird, stößt er auf einen jungen Mann, der auf einem Stuhl lümmelt und dabei eine Zeitschrift liest. Zusätzlich zur schokoladenbraunen Uniform des Zentrums trägt der Bursche einen winzigen runden Hut, der von einem Riemen unterm Kinn festgehalten wird, ähnlich dem eines Zirkusaffen.
    »Guten Abend«, sagt er. »Ich suche die schwer fassbare Señora Weiss. Haben Sie eine Ahnung, wo sie steckt? Uns ist ein Zimmer in diesem Haus zugewiesen worden und sie hat den Schlüssel oder zumindest den Hauptschlüssel.«
    Der junge Mann erhebt sich, räuspert sich und antwortet. Seine Antwort ist höflich, doch am Ende nicht hilfreich. Wenn Señora Weiss’ Büro verschlossen ist, dann ist die Señora wahrscheinlich nach Hause gegangen. Und was einen Hauptschlüssel betrifft, wenn einer existiert, dann ist er wahrscheinlich im selben verschlossenen Büro. Der Schlüssel zur Waschküche ebenfalls.
    »Können Sie uns wenigstens das Zimmer C - 55 zeigen?«, fragt er. » C - 55 ist das uns zugewiesene Zimmer.«
    Wortlos führt sie der junge Mann einen langen Korridor hinunter, vorbei an C - 49 , C - 50 , …, C - 54 . Sie kommen bei C - 55 an. Er probiert die Tür. Sie ist nicht verschlossen. »Ihre Probleme haben sich erledigt«, bemerkt er mit einem Lächeln und zieht sich zurück.
    C - 55 ist klein, fensterlos und äußert schlicht möbliert: ein Einzelbett, eine Kommode, ein Waschbecken. Auf der Kommode befindet sich ein Tablett mit einer Untertasse, auf der zweieinhalb Stück Zucker liegen. Er gibt dem Jungen den Zucker.
    »Müssen wir hierbleiben?«, fragt der Junge.
    »Ja, das müssen wir. Es ist nur für kurze Zeit, während wir uns nach etwas Besserem umsehen.«
    Ganz am Ende des Korridors entdeckt er eine Dusche. Es gibt keine Seife. Er zieht das Kind aus, zieht sich selbst aus. Zusammen stehen sie unter einem dünnen Strahl lauwarmen Wassers, während er sie beide wäscht, so gut es geht. Das Kind wartet, als er dann ihre Unterwäsche unter denselben Strahl hält (der bald kühl und dann kalt wird) und sie auswringt. Splitternackt tappt er, das Kind neben sich, den kahlen Korridor entlang zu ihrem Zimmer zurück und verriegelt die Tür. Mit ihrem einzigen

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