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Die Klaue des Schlichters

Die Klaue des Schlichters

Titel: Die Klaue des Schlichters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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zu sein. Die Bühne wackelt voller Anteilnahme, und der Boden bebt.
    Z WEITER S OLDAT : Was war das?
    E RSTER S OLDAT : Weiß nicht.
    J AHI : Das Ende der Urth, ihr Narren. Los, erstecht sie! Ihr seid sowieso am Ende.
    Z WEITER S OLDAT : Was weißt denn du! Das ist erst der Anfang für uns. Als der Befehl kam, den Garten zu durchsuchen, war insbesondere von euch zweien die Rede. Euch zurückzubringen, lautete der Befehl. Zehn Chrysos seid ihr wert, oder ich will ein Flickschuster sein.
    Er ergreift J AHI ; währenddessen flieht M ESCHIANE in die Dunkelheit. Der E RSTE S OLDAT läuft ihr nach.
    Z WEITER S OLDAT : Beiß mich doch!
    Es schlägt mit dem Speerschaft auf J AHI ein. Sie ringen.
    J AHI : Narr! Sie entwischt!
    Z WEITER S OLDAT : Das soll Ivos Sorge sein. Ich habe meine Gefangene, und er hat die seine entkommen lassen, falls er sie nicht erwischt. Komm, wir gehen zum Chiliarchen!
    J AHI : Willst du mich nicht lieben, ehe wir dieses reizende Plätzchen verlassen?
    Z WEITER S OLDAT : Damit man mir die Männlichkeit abschneidet und in den Mund stopft? Nicht ich!
    J AHI : Dazu müßt’ man sie erst einmal finden.
    Z WEITER S OLDAT : Was? (Rüttelt sie.)
    J AHI : Warte – laß nur für einen Moment von mir ab, und ich will dir wunderbare Dinge zeigen.
    Z WEITER S OLDAT : Die sehe ich bereits, was ich einzig dem Mond zuschreibe.
    J AHI : Ich kann dich reich machen. Zehn Chrysos werden nichts für dich sein. Aber ich habe keine Macht, so lange du meinen Leib berührst.
    Z WEITER S OLDAT : Deine Beine sind länger als die der anderen Frauen, aber ich hab’ gesehn, du gehst nicht so gern auf ihnen. Ja, ich glaube, du kannst kaum stehen.
    J AHI : Glaub’ ich auch.
    Z WEITER S OLDAT : Ich halte dich an deiner Halskette – scheint fest genug zu sein. Wenn das genügt, zeig mir, was du kannst. Wenn nicht, komm mit! Du bist kein bißchen freier, solang’ ich dich hab’.
    J AHI erhebt beide Arme, den kleinen Finger, Zeigefinger und Daumen abgestreckt.
    Nach kurzer Stille ertönt eine wunderliche, sanfte Musik, mit Trillern versetzt.
    Schneeflocken fallen weich.
    Z WEITER S OLDAT : Schluß damit!
    Er packt einen Arm und zerrt ihn nach unten. Die Musik verstummt jäh. Die letzten Schneeflocken fallen in sein Haar.
    Z WEITER S OLDAT : Das war kein Gold.
    J AHI : Doch du hast gesehen.
    Z WEITER S OLDAT : In meinem Heimatdorf lebt eine Greisin, die auch aufs Wetter wirken kann. Sie ist zwar nicht so schnell wie du, geb’ ich zu, aber sie ist ja auch viel älter und zittrig.
    J AHI : Wer sie auch sei, sie ist nicht ein Tausendstel so alt wie ich.
    Langsam und wie blind tritt die S TATUE auf.
    J AHI : Was ist das? Z WEITER S OLDAT : Eines von Vater Inires kleinen Spielzeugen. Es kann weder hören noch Laute von sich geben. Ich bin mir nicht sicher, ob es lebendig ist.
    J AHI : Ich auch nicht.
    Als die S TATUE an ihr vorübergeht, streichelt sie ihr mit der freien Hand über die Wange.
    J AHI : Liebster … Liebster … Liebster. Hast keinen Gruß für mich?
    S TATUE : E-e-e-i!
    Z WEITER S OLDAT : He! Schluß! Weib, du sagtest, du habest keine Macht, solange ich dich halte.
    J AHI : Sieh meinen Sklaven. Kannst du dich seiner erwehren? Los – zerbrich dir den Spieß an dieser breiten Brust!
    Die S TATUE kniet nieder und küßt J AHIS Fuß.
    Z WEITER S OLDAT : Nein, aber ich kann ihm davonrennen.
    Er wirft sich J AHI über die Schulter und rennt. Die Tür im Berg geht auf. Er tritt ein, und sie schlägt hinter ihm zu. Die S TATUE hämmert mit mächtigen Schlägen dagegen, aber sie gibt nicht nach. Tränen strömen über ihr Gesicht.
    Schließlich wendet sie sich ab und beginnt mit den Händen zu graben.
    G ABRIEL (von draußen): Also bleibt treu dem vergang’nen Tag, ein Bild in Stein, wenn der Mensch entfleucht, in der Öde allein.
    Während die S TATUE weitergräbt, geht allmählich das Licht aus.
    Wenn das Licht wieder angeht, sitzt der A UTARCH auf seinem Thron. Er ist allein auf der Bühne, aber projizierte Silhouetten zu beiden Seiten stellen dar, daß sein Hofstaat bei ihm weilt.
    A UTARCH : Hier sitze ich wie der Herr über tausend Welten. Dennoch bin ich nicht einmal Herr über diese eine.
    Draußen hört man eine Truppe aufmarschieren. Ein Befehl wird gerufen.
    A UTARCH : Generalissimus!
    Ein P ROPHET tritt auf. Er trägt ein Ziegenfell und hält einen Stab, dessen Spitze grob zu einem seltsamen Symbol geschnitzt ist.
    P ROPHET : Hundert Zeichen sind zu sehn. Ein Kalb wurde geboren, das keinen Kopf, aber an den

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