Die Kleinbürger (German Edition)
Saint-Sulpice-Viertels an einem solchen Orte zu begegnen.«
»Was Ihnen beweist,« entgegnete der Rentier, in einem Tone, der jede Auseinandersetzung und jede Neugierde kurz abschnitt, »daß ich die Gewohnheit habe, ein wenig überallhin zu gehen, und daß mein guter Stern mich den Leuten begegnen läßt, die ich zu treffen wünsche; ich dachte gerade an Sie, als Sie hereinkamen. Nun, was haben Sie erreicht?«
»Nichts Gutes«, sagte Cérizet. »Nachdem mir unser Mann einen Streich gespielt hatte, für den er gehenkt zu werden verdiente, und mir ein ausgezeichnetes Geschäft hat zunichte werden lassen, wies er unsern Vorschlag mit äußerster Verachtung zurück. Es ist auch keine Hoffnung vorhanden, daß wir die Forderung Dutocqs ankaufen; la Peyrade scheint bei Gelde zu sein, denn er wollte stehenden Fußes die Wechsel einlösen, und morgen früh ist er seine Verpflichtung sicherlich los.«
»Er hält also seine Heirat mit diesem Fräulein Colleville für eine abgemachte Sache?«
»Nicht nur für eine abgemachte Sache, sondern er beansprucht auch, daß man es für eine Herzenssache halten soll. Eben erst hat er vor mir eine Tirade losgelassen, um mich zu überzeugen, daß er ernsthaft verliebt sei.«
»Schön!« sagte du Portail, und um zu zeigen, daß er auch die Kneipensprache sprechen konnte, fügte er hinzu: »Stürzen Sie sich nicht in Unkosten« (was heißen sollte: ›Mischen Sie sich weiter in nichts‹). »Ich nehme es auf mich, den Herrn gefügig zu machen. Kommen Sie nur morgen zu mir und teilen Sie mir Näheres über die Familie mit, in die er aufgenommen zu werden wünscht. Das eine Geschäft ist Ihnen fehlgeschlagen; aber beruhigen Sie sich, es werden sich bei mir noch andere für Sie finden.«
Nachdem er dies gesagt hatte, machte er dem Kutscher eines leeren vorbeifahrenden Mietwagens ein Zeichen, stieg ein und nannte, während er Cérizet freundlich aber herablassend zuwinkte, seine Adresse in der Rue Honoré-Chevalier.
Während er die Rue Montmartre nach dem Bezirk der Estrapade hin hinabging, zerbrach sich Cérizet den Kopf darüber, wer dieser kleine Alte mit seiner kurzen befehlenden Sprechweise eigentlich sein könne, der sich an die Leute, mit denen er redete, förmlich festhakte, und der von so weither gekommen war, um den Abend an einem Orte zu verbringen, wo er mit Rücksicht auf seine ganze vornehme Persönlichkeit am allerwenigsten hingehörte.
In der Gegend der Markthallen angelangt, hatte Cérizet noch immer keine Lösung dieses Problems gefunden; aber er wurde jetzt ziemlich rauh aus seinem Nachsinnen durch einen starken Rippenstoß von hinten gerissen.
Als er sich rasch umwandte, sah er sich der Frau Cardinal gegenüber, der an dieser Stelle, wo sie sich alle Morgen mit den Vorräten für ihren Handel versorgte, zu begegnen, nichts durchaus Ungewöhnliches war.
Seit dem Abende in der Rue Honoré-Chevalier, hatte es die würdige Dame, obwohl sie so glimpflich davon gekommen war, doch für klüger gehalten, ihrer Wohnung nur kurze Besuche abzustatten, und sie ertränkte den Kummer über ihr Mißgeschick in den Schnapsbuden, den sogenannten »Trostspendern«.
Mit schwerer Zunge und glühendem Gesicht sagte sie zu Cérizet:
»Na, mein Junge, wie is denn das abgelaufen mit dem kleinen Alten?«
»Ich habe ihm mit wenigen Worten begreiflich gemacht,« sagte der Wucherer, »daß es sich zwischen ihm und mir nur um ein Mißverständnis handelte. In der ganzen Sache aber haben Sie, meine gute Frau Cardinal, mit einer wirklich unverzeihlichen Leichtfertigkeit gehandelt; als Sie um meinen Beistand baten, um die Hinterlassenschaft Ihres Onkels an sich zu bringen, war es Ihnen da vielleicht bekannt, daß er eine natürliche Tochter besaß, die er seit langer Zeit testamentarisch zur Universalerbin einsetzen wollte? Der kleine Alte, der Sie bei Ihren albernen Versuchen, eine Erbschaft an sich zu bringen, über die schon verfügt war, gestört hat, war niemand anders, als der Vormund der Erbin.«
»So, der Vormund!« sagte die Cardinal, »das sind ja nette Leute, diese Vormünder! Zu einer Frau in meinen Jahren, weil sie sich überzeugen will, ob ihr Onkel ihr was hinterläßt, zu sagen, daß er die Polizei holen lassen wird! Ist das nicht eine scheußliche Gemeinheit?«
»Hören Sie,« sagte Cérizet, »Sie dürfen sich doch nicht beklagen, Mama Cardinal, Sie sind doch noch billig davongekommen.«
»Na, und Sie? Sie haben doch das Schloß aufgemacht und sich die Diamanten nehmen
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