Die Kleinbürger (German Edition)
wollen, weil Sie angeblich meine Tochter heiraten würden! Als ob Sie meine Tochter genommen hätte! Und die ist doch eine ehrliche Tochter! ›Niemals, Mutter‹, hat sie zu mir gesagt, ›werde ich mein Herz einem Mann mit so 'ner Nase schenken‹!«
»Haben Sie denn Ihre Tochter wiedergefunden?«
»Ja, erst gestern abend; sie hat den Lumpenkerl von Komödianten verlassen und befindet sich jetzt, wie ich mir schmeicheln darf zu sagen, in einer ausgezeichneten Position; sie speist auf Silber, hat einen Wagen, der auf einen Monat gemietet ist, und wird sehr verehrt von einem Advokaten, der sie auf der Stelle heiraten würde, der aber noch warten muß, bis seine Eltern tot sind, weil der Vater Bürgermeister ist, und solch 'ne Heirat der Regierung unangenehm sein könnte. Es ist der Herr Minard im elften Bezirk, ein früherer Kakaohändler, der mächtig reich ist.«
»Ach so, der! Ich kenne ihn. Und Sie sagen, daß Olympia mit seinem Sohn zusammen ist?«
»Das heißt, wohnen tun sie noch nicht zusammen, damit nicht darüber geredet wird, obwohl er ernstliche Absichten hat; er wohnt noch bei seinem Vater, und inzwischen haben sie die Einrichtung gekauft und meiner Tochter eine Wohnung da bei der Chaussee-d'Antin gemietet; eine feine Gegend, was?«
»Aber das hat sich ja, wie mir scheint, sehr gut arrangiert,« sagte Cérizet; »und da der Himmel uns nun einmal nicht für einander bestimmt hat ...«
»Ja, so ist es; ich glaube, das Kind wird mir schließlich noch mal viel Freude machen, und in bezug darauf hätte ich gern mal Ihren Rat gehört.«
»Um was handelt es sich denn?« fragte Cérizet.
»Es handelt sich darum, daß ich doch, wenn es meiner Tochter so gut geht, nicht weiter meine Ware auf der Straße ausrufen kann; und dann scheint mir, da ich doch nun von meinem Onkel enterbt worden bin, daß ich ein Recht auf ›Elementen‹-Unterstützung habe.«
»Sie träumen wohl, meine Beste! Ihre Tochter ist noch minderjährig und Sie sind zu ihrer Unterhaltung verpflichtet, aber nicht etwa, daß Sie Alimentationsansprüche an Ihre Tochter hätten.«
»Also,« sagte Frau Cardinal, die anfing, heftig zu werden, »die, die nichts haben, sollen denen, die haben, noch was geben! Das sind ja nette Gesetze, ebenso lieblich, wie die Vormünder, die vor nichts davon reden, daß sie die Polizei holen lassen! Na schön, ja doch! Mögen sie doch die Polizei holen lassen! Mögen sie mich doch köpfen lassen! Das wird mich nicht abhalten zu sagen, daß die reichen Leute lauter Spitzbuben sind, und daß das Volk eine Revolution machen muß, damit es sein Recht bekommt, vor das du, mein Junge, meine Tochter, der Advokat Minard und der kleine Vormund, hören Sie, ihr alle gehört!«
Als er sah, daß seine Exschwiegermutter in einen äußerst beunruhigenden Zustand von Aufregung geraten war, beeilte sich Cérizet, sie zu verlassen, und er war schon mehr als fünfzig Schritt von ihr entfernt, als er immer noch die Schimpfworte, die sie ihm nachrief, hörte; er beschloß, sie ihr bei der ersten Gelegenheit heimzuzahlen, wenn sie in der Bank der Rue des Poules erscheinen und ein »Erleichterung« von ihm erbitten würde.
Als er in die Nähe seines Hauses gelangt war, hatte Cérizet, der nichts weniger als tapfer war, einen Schreck; er bemerkte an der Tür eine Person im Hinterhalt, die sich bei seinem Herankommen bewegte und Miene machte, auf ihn loszugehen.
Glücklicherweise war es niemand anders als Dutocq. Er war gekommen, um sich seine Wechsel zu holen. Cérizet gab sie ihm in ziemlich schlechter Laune und beklagte sich über das Mißtrauen, das ein Besuch zu so ungewöhnlicher Stunde verriet.
Dutocq kehrte sich nicht sehr an diese Empfindlichkeit und erschien am nächsten Morgen zu früher Stunde bei la Peyrade.
Dieser bezahlte ihn auf Heller und Pfennig und antwortete auf einige sentimentale Redensarten, zu denen sich Dutocq, sobald er einmal das Geld eingesteckt hatte, für verpflichtet hielt, nur mit deutlich betonter Kälte.
Als er seinen Gläubiger hinausbegleitete, sah sich dieser einer Frau, die wie ein Dienstmädchen gekleidet war, gegenüber, die im Begriffe stand, bei la Peyrade zu klingeln.
Diese Frau war Dutocq anscheinend bekannt, denn er sagte zu ihr:
»Ei, ei, Mütterchen, wir haben das Bedürfnis, einen Advokaten zu konsultieren; Sie tun recht daran, im Familienrate sind sehr schwerwiegende Tatsachen gegen Sie vorgebracht worden.«
»Ich brauche, Gott sei Dank, mich vor niemandem zu fürchten und den
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