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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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klingelte nach dem Kellner.
    »Die Rechnung!« sagte er.
    »Aber die ist ja schon bezahlt, mein Herr.«
    »Wie, bezahlt? Von wem denn?« »Von dem Herrn, der eben fortgegangen ist.«
    »Aber das ist ja unglaublich,« rief Cérizet, »ich habe das Diner bestellt, und Sie lassen es von einem Unbekannten bezahlen!«
    »Ich war es nicht, mein Herr«, sagte der Kellner; »der Herr hat bei der Büfettdame bezahlt; sie wird angenommen haben, daß es so verabredet war; und es ist doch nichts so Gewöhnliches, daß sich die Leute dazu drängen, eine Rechnung zu bezahlen.«
    »Es ist gut!« sagte Cérizet und entließ den Kellner.
    »Nehmen die Herren keinen Kaffee?« fragte dieser beim Hinausgehen, »er ist auch schon bezahlt.«
    »Gerade deshalb werden wir keinen trinken«, sagte Cérizet ärgerlich. »Es ist wirklich unbegreiflich, wie in einem solchen Hause derartige Irrtümer vorkommen können. – Begreifen Sie diese Unverschämtheit?« fügte er hinzu, als der Kellner sich entfernt hatte.
    »Pah!« sagte Dutocq und nahm seinen Hut, »das ist ein Schülerstreich, er will zeigen, daß er Geld hat, und man sieht, daß das bei ihm etwas Neues ist.«
    »Nein, nein, durchaus nicht,« sagte Cérizet, »er will damit den Bruch noch unterstreichen. ›Ich will euch nicht einmal ein Diner schuldig sein‹, scheint er mir damit sagen zu wollen.«
    »Tatsächlich, mein Lieber,« entgegnete Dutocq, als sie die Treppe hinuntergingen, »sollte dieses Diner doch Ihre Thronbesteigung als Gesamtmieter feiern. Nun hat er Ihnen den Vertrag nicht verschaffen können. Ich begreife, daß es sein Gewissen bedrückt hat, sich von Ihnen ein Diner bezahlen zu lassen, das, wie meine Wechsel, eine Schuldverpflichtung ohne Gegenleistung geworden ist.«
    Cérizet ging auf diese boshafte Bemerkung nicht ein. Inzwischen waren sie zu dem Kontor gelangt, in dem die Dame thronte, die zu Unrecht die Bezahlung entgegengenommen hatte, und im Interesse seiner Würde hielt es der Wucherer für nötig, ihr eine Szene zu machen.
    Dann entfernten sich die beiden Tischgenossen zusammen, und der Mann aus der Rue des Poules führte seinen Vorgesetzten in ein elendes Kaffeehaus in der Passage du Saumon.
    Hier gewann der so billig davongekommene Gastgeber seine gute Laune wieder; er war wie ein Fisch, den man vom trockenen Lande wieder ins Wasser geworfen hat; da er auf einen Zustand heruntergekommen war, in dem man sich an den Orten, die von der guten Gesellschaft besucht werden, unbehaglich fühlt, so fand sich Cérizet mit einem gewissen Hochgenuß in diesem Lokal, wo eine Boulepartie zugunsten eines »alten Bastillestürmers« geräuschvoll gespielt wurde, wieder in seinem Element.
    Er besaß hier den Ruf eines geschickten Billardspielers und wurde aufgefordert, an der begonnenen Partie teilzunehmen. Er »kaufte sich eine Kugel«, wie man das technisch bezeichnet, das heißt: ein Teilnehmer an dem Turnier verkaufte ihm seine Berechtigung und seine Chancen. Dutocq benutzte diese Abmachung, um sich zu drücken und, wie er sagte, sich nach dem Befinden eines kranken Freundes zu erkundigen.
    Bald darauf machte Cérizet, in Hemdärmeln und die Pfeife zwischen den Zähnen, einen Meisterstoß, der frenetischen Beifall bei der Zuschauergalerie hervorrief, als sein Blick, während er sich triumphierend umsah, auf einem furchtbaren Freudenstörer haften blieb.
    Mitten unter den Anwesenden saß du Portail und beobachtete ihn von der Höhe seines Spazierstocks aus, auf dessen Krücke sein Kinn ruhte.
    Eine rote Welle übergoß Cérizets Wangen, und er wußte nicht, ob er den Rentier, dessen Anwesenheit an einem solchen Orte so unwahrscheinlich erschien, begrüßen und erkennen sollte. Er konnte zu keinem Entschlusse bezüglich dieses peinlichen Zusammentreffens gelangen und war vollständig befangen; sein Spiel zeigte, wie zerstreut er war, und bald darauf mußte er infolge eines Fehlstoßes aus der Partie ausscheiden.
    Während er in ziemlich übler Laune den Rock anzog, stand du Portail auf, und als er beim Hinausgehen an ihm vorbeikam, sagte er leise zu ihm: »Rue Montmartre, am Ausgang der Passage!«
    Als sie sich trafen, war Cérizet so geschmacklos, sein unanständiges Auftreten, bei dem er eben überrascht worden war, erklären zu wollen.
    »Aber ich konnte Sie dort doch nur treffen,« sagte du Portail, »weil ich ebenfalls dahin gegangen war.
    »Das ist wahr,« antwortete der Wucherer, »und ich habe mich auch recht gewundert, einen stillen Bewohner des

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