Die Kleinbürger (German Edition)
bringen, indem sie dich einfach für deine Dienste belohnen. Aber das sind politische Mysterien, die deiner Schwester nicht in den Kopf gehen.«
»Zum Teufel nochmal,« sagte Thuillier, »ich denke doch, daß ich kein schlechter Beobachter bin, aber ich habe nicht bemerkt, daß Brigitte sich dir gegenüber anders verhält.«
»O gewiß,« sagte la Peyrade, »du hast ein so scharfes Auge, daß du nicht einmal diese Frau von Godollo neben ihr bemerkt hast, ohne die sie gar nicht mehr leben kann.«
»Aber wie denn!« sagte Thuillier schlau, »sollten wir etwa ein bißchen eifersüchtig sein?«
»Ich weiß nicht«, entgegnete la Peyrade, »ob Eifersucht das richtige Wort ist, aber schließlich ist deine Schwester, deren Verstand sich doch nicht über den Durchschnitt erhebt und der zu meiner Verwunderung ein Mann von deiner geistigen Überlegenheit eine Autorität zugesteht, von der sie Gebrauch und auch Mißbrauch macht ...«
»Ja, was willst du machen, mein Lieber,« unterbrach ihn Thuillier, der sich an dem Weihrauch des Komplimentes erlabte, »sie hat sich für mich ja immer völlig aufgeopfert!«
»Ich gestehe diese Schwäche zu,« entgegnete la Peyrade, »aber ich wiederhole, deine Schwester reicht dir doch nicht bis ans Knie. Und ich sage, daß, wenn ein Mann von der Bedeutung, die du selbst mir zugestehst, ihr die Ehre erweist, sie zu beraten und sich für sie so aufzuopfern, wie ich es getan habe, es ihm doch nicht gerade angenehm sein kann, wenn er sich in seiner Vertrauensstellung durch eine Frau ersetzt sieht, von der man nicht weiß, wo sie herkommt, und alles das wegen ein paar Lumpen von Vorhängen und etlichen alten Sesseln, die sie ihr verschafft hat.«
»Für die Weiber, das weißt du ja,« antwortete Thuillier, »gehen Wirtschaftsangelegenheiten allem andern vor.«
»Du kannst auch überzeugt sein, daß Brigitte, die ja bei allem ihre Hand im Spiele hat, den Anspruch erhebt, in Herzensangelegenheiten zu entscheiden, und da du so scharfsichtig bist, wirst du wohl auch erkannt haben, daß für Brigitte nichts weniger eine abgemachte Sache ist als meine Heirat mit Fräulein Colleville; und dabei bin ich zu meiner Bewerbung doch offiziell von euch autorisiert worden.«
»Gewiß! Ich möchte auch den sehen, der es versuchen wollte, an unserer Vereinbarung zu rütteln!«
»Abgesehen von Brigitte«, erwiderte der Advokat, »kann ich dir jemanden nennen, der sich stark damit beschäftigt, daran zu rütteln, und das ist Fräulein Celeste; trotz des Hindernisses, das die Verschiedenheit ihrer religiösen Anschauungen zwischen ihnen aufgerichtet hat, beschäftigt sie sich ganz offen mit dem kleinen Phellion.«
»Aber weshalb sagt man Flavia nicht, daß sie da Ordnung schafft?«
»Flavia, mein Lieber, kennt ja niemand besser als du. Sie ist zuerst Weib und dann Mutter; ich war genötigt, ihr ein klein wenig den Hof zu machen, und da begreifst du wohl, daß, wenn sie auch nichts gegen die Heirat hat, sie sie doch nicht brennend wünscht.«
»Also«, sagte Thuillier, »ich nehme es auf mich, mit Celeste zu reden; es steht doch nicht so, daß uns ein kleines Mädchen ihren Willen aufzwingen wird.«
»Gerade das wünsche ich nicht,« rief la Peyrade, »daß du dich in alles das einmischst; du hast ja, abgesehen von deinem Verhältnis zu deiner Schwester, einen eisernen Willen, und ich will nicht, daß man sagen soll, du hast deine Autorität geltend gemacht, um mir Celeste in die Arme zu legen; ich verlange im Gegenteil, daß dem Kinde die vollste Freiheit gelassen wird, über sein Herz zu verfügen; nur das meine ich beanspruchen zu dürfen, daß sie sich über die Wahl zwischen mir und Herrn Phellion deutlich erklärt, denn ich kann nicht länger in einer Situation verharren, die mein Dasein untergräbt. Wenn die Heirat so lange hinausgeschoben werden soll, bis du Deputierter bist, so ist das ein Unding; ich kann mich doch nicht darauf einlassen, daß die wichtigste Angelegenheit meines Lebens allen Ungewißheiten der Zukunft ausgesetzt sein soll; außerdem riecht unsre erste Abrede nach einem Geschäft, und das paßt mir nicht. Ich bin gezwungen, mein Lieber, dir ein Geständnis zu machen, zu dem ich mich durch die Widerwärtigkeiten, die ich erdulden muß, genötigt sehe. Dutocq kann dir sagen, daß mir, bevor ihr noch die Wohnung in der Rue Saint-Dominique verlassen hattet, in seiner Gegenwart die Hand einer reichen Erbin sehr ernsthaft angetragen worden ist, die einmal ein größeres Vermögen
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