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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Peyrade war über diese Untergrabung seiner Position durch eine feindselige Haltung, deren Grund ihm unerklärlich war, um so unglücklicher, als er sich den Vorwurf machen mußte, zu dem Erscheinen dieser beunruhigenden Gegnerin auf dem Hauptfelde seiner Tätigkeit mit beigetragen zu haben.
    Sein erster Fehler war gewesen, daß er sich das uneinbringliche Vergnügen leistete, Cérizet nicht als Hauptmieter zuzulassen: Hätte Brigitte auf seinen Rat und sein Drängen die Verwaltung des Grundstücks nicht übernommen, so war zehn gegen eins zu wetten, daß sie die Bekanntschaft der Frau von Godollo gar nicht gemacht hätte.
    Eine andere Unklugheit hatte er damit begangen, daß er die Thuilliers gedrängt hatte, ihre Thebais im Quartier latin zu verlassen.
    In dieser Zeit hielt Theodosius, auf der vollen Höhe seiner Vertrauensstellung, seine Heirat für eine beschlossene Sache und bezeigte eine fast kindische Eile, sich schnell in die vornehme Gesellschaftssphäre, die ihm in Zukunft offen zu stehen schien, hineinzuschieben. Er war also den Lockungen der Ungarin zu Hilfe gekommen und hatte die Thulliers vorschicken wollen, um sich sein Bett in der prächtigen Wohnung zu machen, die er eines Tages mit ihnen zusammen bewohnen sollte. In diesem Arrangement hatte er noch einen andern Vorteil erblickt, nämlich den, Céleste der fast täglichen Berührung mit einem Rivalen zu entziehen, der nicht aufhörte, ihm gefährlich zu erscheinen. Die Bequemlichkeit des Tür-an-Tür-Wohnens beraubt, würde Felix gezwungen sein, seine Besuche seltener werden zu lassen, und es damit erleichtern, ihn aus einem Herzen zu verdrängen, in dem er nur unter der Bedingung herrschte, daß er sich seinen religiösen Anforderungen, gegen die er sich so widerspenstig gezeigt hatte, füge.
    Aber alle diese Kombinationen des Provenzalen waren auf mehr als ein Hindernis gestoßen.
    Wenn er den Gesichtskreis der Thuilliers verbreiterte, so bedeutete das für la Peyrade, daß er sich damit einer Konkurrenz in der Bewunderung aussetzte, deren einziger Gegenstand er bisher gewesen war. In dem gewissermaßen provinziellen Milieu, in dem sie lebten, mußten, mangels einer Vergleichungsmöglichkeit, Brigitte und »Freundchen« ihn auf eine Höhe erheben, von der herabzusteigen ihn die Danebenstellung anderer hervorragender oder vornehmer Persönlichkeiten unfehlbar nötigen würde. So war also, auch abgesehen von den Schlägen, die ihm Frau von Godollo heimlich versetzt hatte, die »ultrapontane« Ansiedlung der Kolonie hinsichtlich der Thuilliers eine üble Sache, und bezüglich der Collevilles stand es auch nicht besser. Diese waren nach ihren Freunden ebenfalls in das Haus im Madeleineviertel gezogen, wo ihnen ein Zwischengeschoß nach hinten heraus zu einem für ihren Geldbeutel erschwinglichen Preise abgelassen worden war. Aber Colleville fand, daß es der Wohnung an Licht und Luft fehle, und da er genötigt war, sich täglich vom Boulevard de la Madeleine nach dem Faubourg Saint-Jacques, wo sein Bureau war, zu begeben, so schalt er über das Arrangement, dessen Opfer er war, und war manchmal der Ansicht, daß la Peyrade sich zum Tyrann entwickele. Außerdem hatte sich Frau Colleville unter dem Vorwande, daß sie entsprechend der Gegend, in der sie jetzt wohnten, auftreten müsse, in eine wahre Orgie von Ankäufen neuer Hüte, Mäntel und Kleider gestürzt, die, da sie die Präsentation einer Menge außergewöhnlicher Rechnungen zur Folge hatte, jeden Tag mehr oder weniger stürmische Szenen zu Hause herbeiführte. Was Celeste anlangt, so hatte sie zweifellos jetzt weniger Gelegenheit, den jungen Phellion zu sehen, aber auch weniger Anlaß, sich mit ihm auf religiöse Streitigkeiten einzulassen, und die Abwesenheit, die nur bei mäßiger Zuneigung eine Gefahr bedeutet, ließ sie um so zärtlicher und mit weniger theologischen Bedenken an den Mann ihrer Träume denken.
    Aber alle diese falschen Kalkulationen Theodosius' bedeuteten schließlich nichts gegenüber einem andern Grunde für die Verminderung seines Ansehens.
    Binnen acht Tagen und gegen Hergabe einer Summe von zehntausend Franken, zu der sich Thuillier ziemlich gutwillig verstanden hatte, sollte die Verleihung des Kreuzes der Ehrenlegion den heimlichen Traum seines ganzen Lebens verwirklichen.
    Nun waren zwei Monate vergangen, und es verlautete noch nicht das Geringste über dieses ruhmverleihende Spielzeug; der frühere Vizechef, der so glücklich gewesen wäre, wenn er auf dem Asphalt des

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