Die Kleinbürger (German Edition)
hat.«
»Aber wenn Celeste ihn nun nicht will?« wandte Brigitte ein.
»Celeste! Celeste!« entgegnete Thuillier, sie muß eben tun, was wir wünschen. Daran hätte man übrigens denken sollen, bevor wir uns la Peyrade gegenüber gebunden haben, denn schließlich haben wir doch unser Wort gegeben; und endlich kann das Mädel doch zwischen ihm und Phellion wählen!« »Du glaubst also,« erwiderte Fräulein Thuillier skeptisch, »wenn Celeste sich für Felix ausgesprochen hat, auch dann noch an die Hingebung la Peyrades?«
»Was soll ich denn tun? So sind eben seine Bedingungen. Übrigens hat der schlaue Fuchs alles erwogen, er weiß, daß Felix sich nie entschließen wird, Celeste seine Beichtzettel zu bringen, und daß ohne diesen der kleine Starrkopf ihn nie zum Manne nehmen wird. La Peyrade spielt also ein sehr geschicktes Spiel.«
»Ein zu geschicktes«, sagte Brigitte; »im übrigen arrangiere das, wie du willst, ich mische mich nicht darein; alle solche Kniffe sind nicht nach meinem Geschmack.«
Thuillier begab sich darauf zu Frau Colleville und beauftragte sie, Celeste mitzuteilen, was über sie beschlossen war.
Es war Celeste niemals offiziell gestattet worden, sich ihren Empfindungen für Felix Phellion hinzugeben. Früher hatte ihr Flavia im Gegenteil sogar ausdrücklich verboten, dem jungen Professor irgendwelche Hoffnungen zu machen. Da sie sich aber von seiten der Frau Thuillier, ihrer Patin und einzigen Vertrauten, genügend in ihrer Neigung unterstützt fühlte, so wandte sie sich ihm allmählich immer mehr zu, ohne sich sehr um die Hindernisse zu bekümmern, die eines Tages ihrer Wahl in den Weg treten könnten. Als ihr nun angekündigt wurde, sie habe sich zwischen Felix und la Peyrade zu entscheiden, war das harmlose Kind nur durch eine der beiden Möglichkeiten berührt, und sie stellte sich vor, daß sie einen bemerkenswerten Vorteil bei dieser Alternative hätte, die ihr gestattete, selbst über ihre Person so zu verfügen, wie es ihr Herz verlangte.
Aber la Peyrade hatte sich in seiner Erwägung nicht getäuscht, wenn er damit rechnete, daß einerseits die religiöse Intoleranz des jungen Mädchens, andererseits die Unbeugsamkeit der philosophischen Anschauungen des jungen Phellions unüberwindliche Hindernisse für ihre Vereinigung sein würden.
An demselben Abende, an dem Flavia beauftragt war, den endgültigen Entschluß Thuilliers Celeste zu eröffnen, waren die Phellions bei Brigitte zu Besuch, und es entspann sich zwischen den jungen Leuten eine sehr lebhafte Debatte. Fräulein Collevilles Mutter brauchte ihr nicht anzudeuten, daß es durchaus unpassend sein würde, als Argument bei ihrem Streit mit Felix die bedingte Zustimmung zu ihrer Liebe ins Feld zu führen. Celeste besaß selbst zu viel Feingefühl und tiefe Gläubigkeit, als daß sie die Bekehrung dessen, den sie liebte, einem andern Beweggrunde als seiner Überzeugung hätte verdanken wollen. Der ganze Abend verging so mit theologischen Disputen, und die Liebe ist ein so merkwürdiger Proteus und kann so viele unerwartete Formen annehmen, daß sie, die an diesem Tage im schwarzen Talar und viereckigen Barett erschien, durchaus nicht so übel aussah, wie man hätte erwarten müssen. Der junge Phellion aber benahm sich bei diesem Zusammentreffen, dessen feierliche Bedeutung er nicht ahnte, äußerst unglücklich. Abgesehen davon, daß er keine Zugeständnisse machte, behandelte er die Streitfragen obenhin und ironisch und brachte die arme Celeste zuletzt derart außer sich, daß sie ihm erklärte, sie breche ihre Beziehungen endgültig ab, und ihm verbot, sich wieder vor ihr sehen zu lassen.
Das wäre für einen erfahreneren Liebhaber, als den jungen Gelehrten, Anlaß gewesen, bereits am nächsten Tage Celeste wieder aufzusuchen, denn man ist niemals bereitwilliger, sich in Liebesangelegenheiten zu verständigen, als wenn man eben erklärt hat, man müsse sich für immer trennen. Aber dieses Naturgesetz war keine Logarithmenregel, und Felix Phellion, unfähig, sich so etwas vorzustellen, hielt sich für wirklich ernstlich und tatsächlich verbannt, derart, daß während der vierzehn Tage, die dem jungen Mädchen zur Überlegung bewilligt waren, wie nach dem Code beim Erbschaftsantritt cum beneficio inventarii, dem bedauernswerten jungen Manne auch nicht im entferntesten der Gedanke kam, den Bann zu brechen.
Zum Glück für den ungeschickten Liebhaber wachte eine wohltätige Fee über ihn, und einen Tag, bevor sich Celeste
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