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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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was man in Paris unter Familie versteht; aber ich weiß, daß es in unserm Comtat von Avignon beispiellos wäre, wenn man jemals einem kleinen Mädchen eine solche Freiheit zugestehen wollte. Wenn du, wenn deine Schwester, vorausgesetzt, daß sie offenes Spiel spielt, und der Vater und die Mutter ein Kind, das ihr ausstattet, nicht dazu bewegen könnt, bei einer so einfachen und so vernünftigen Angelegenheit in aller Freiheit zwischen zwei Bewerbern zu wählen, dann adieu! Dann sollte man einfach an die Haustür schreiben, daß Celeste hier als Souveränin zu befehlen habe.«
    »Ganz so weit sind wir ja noch nicht«, sagte Thuillier verständnisvoll.
    »Was dich anlangt, mein Alter,« entgegnete la Peyrade, »so muß ich dich schon bis nach Celestes Entscheidung warten lassen; dann aber gehe ich, ob glücklich oder unglücklich, an die Arbeit, und in drei Tagen wird alles fertig sein.«
    »Wenigstens weiß man nun doch,« erwiderte Thuillier, »was dir auf der Seele gelegen hat; ich gehe jetzt zu Brigitte, um mit ihr zu reden.«
    »Traurig genug, daß du das mußt,« sagte la Peyrade, »aber unglücklicherweise ist es so.«
    »Wie denn? Was willst du damit sagen?«
    »Ich hätte, wie du dir denken kannst, lieber von dir gehört, daß die Sache abgemacht ist; aber eine alte Fessel läßt sich nicht so leicht lösen.«
    »Was! Du denkst also, daß ich ein Mensch ohne Willenskraft, ohne Initiative bin?«
    »Nein! Aber ich möchte wohl aus einem Versteck mit anhören, wie du die Sache bei deiner Schwester anfassen wirst.«
    »Nun wahrhaftig, ich werde ganz offen sprechen und ein sehr deutliches ›ich will‹ wird allen Einwendungen ein Ende machen.«
    »Ach, mein armer Junge,« sagte la Peyrade und klopfte ihm auf die Schulter, »wie viele Bramarbasse hat man seit dem Chrysale in den ›Gelehrten Frauen‹ vor einem weiblichen Willen, der zu herrschen gewöhnt ist, die Flagge strecken sehen!« »Das wollen wir doch sehen!« sagte Thuillier und entfernte sich mit einer theatralischen Gebärde. Der brennende Wunsch, seine Broschüre erscheinen zu sehen, und der geschickt hingeworfene Zweifel an der Unbeugsamkeit seines Willens hatten aus ihm einen Wüterich, einen Tiger gemacht; er entfernte sich in einer Verfassung, als ob er, wenn man ihm Widerstand leisten würde, alles in seinem Hause kurz und klein schlagen würde. Sobald er daheim angelangt war, legte Thuillier sofort seiner Schwester die Frage vor. Diese gab ihm mit ihrem derben Verstände und Egoismus zu verstehen, daß man, wenn man den für die Heirat la Peyrades früher festgesetzten Termin so vordatiere, den Fehler begehen würde, seine Waffen aus der Hand zu geben; man würde nicht mehr sicher sein, daß der Advokat, wenn die Zeit der Wahlen herangerückt wäre, auch wirklich mit allem Eifer um einen Erfolg bemüht sein würde; es würde dann ebenso kommen, sagte die alte Jungfer, wie mit dem Orden.
    »Das ist ein Unterschied,« antwortete Thuillier, »die Ordensverleihung hängt nicht direkt von la Peyrade ab, während er über den Einfluß, den er sich im zwölften Bezirk zu erringen verstanden hat, nach seinem Belieben verfügen kann.«
    »Und wenn es ihm nun beliebte,« entgegnete Brigitte, »nachdem wir ihn haben emporkommen lassen, für eigene Rechnung zu arbeiten, ein solch ehrgeiziger Mensch, wie er ist?«
    Diese gefährliche Aussicht verfehlte nicht, den zukünftigen Wahlkandidaten stutzig zu machen, der aber doch gewisse Garantien in der moralischen Gesinnung la Peyrades zu haben glaubte. »Ein zartfühlender Mensch«, fuhr Brigitte fort, »setzt einem doch nicht so die Pistole auf die Brust, und diese Art, uns wie Affenpinscher vor einem Stück Zucker schönmachen zu lassen, paßt mir durchaus nicht. Könntest du dir nicht von Phellion helfen lassen und auf seine Hilfe verzichten? Oder Frau von Godollo, die soviel Leute unter den Politikern kennt, würde dir, denke ich, vielleicht einen Journalisten besorgen können; das sollen ja lauter Hungerleider sein, die ihre Seele für zwanzig Taler verkaufen.«
    »Und das Geheimnis«, antwortete Thuillier, »soll dann mehreren Personen ausgeliefert sein? Nein, ich brauche la Peyrade unbedingt! Er weiß das auch und stellt seine Bedingungen. Aber, alles zusammengenommen, haben wir ihm Celeste zugesagt, und es ist doch nur eine Beschleunigung um höchstens ein Jahr – was sage ich? Um einige Monate oder einige Wochen vielleicht; der König löst manchmal die Kammer auf, ohne daß jemand daran gedacht

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