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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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und da er nicht wagte, sich anders als im Gehrock zu präsentieren, mußte er sich zu einer der beiden Möglichkeiten entschließen, die vollkommen zu erfüllen er nicht für angemessen hielt. Aber im Gehrocke, und wenn er die hellgelben Handschuhe durch halbdunkle ersetzte, erschien er weniger »feierlich« und vermied es, wie ein Bittsteller oder ein Provinzler auszusehen, der im Salonanzug in den Straßen promeniert, wenn die Sonne sich noch nicht dem Horizont zugeneigt hat.
    Der gewandte Diplomat hütete sich, an der Tür des Hauses, in dem er zu tun hatte, vorzufahren. Vom Zwischengeschoß wollte er nicht gern aus einem Mietwagen steigend gesehen werden, und vom ersten Stock fürchtete er bemerkt zu werden, wie er in der unteren Etage Station machte; denn das hätte sicher zu endlosen Vermutungen Anlaß gegeben.
    Er ließ den Wagen also an der Ecke der Rue Royale halten; von da gelangte er, auf dem beinahe schon trockenen Bürgersteig vorsichtig mit den Fußspitzen auftretend, ohne Unfall ans Ziel. An der Haustür angelangt, hatte er das Glück, von den Portiersleuten nicht bemerkt zu werden; der Mann, Küster an der Madeleinekirche, war infolge seines Dienstes abwesend, und die Frau damit beschäftigt, eine noch freistehende Wohnung einem Mietlustigen zu zeigen; so entging Theodosius jeder Beobachtung und konnte sich bis zur Tür des Heiligtums, in das er eindringen wollte, durchstehlen.
    Bei dem leichten Druck seiner Hand auf den seideumsponnenen Klingelzug ertönte eine Glocke im Innern der Wohnung. Nach einigen Sekunden hörte man, wie mit dem Läuten einer kleinen Glocke die Herrin das säumige Kammermädchen energisch zum Öffnen herbeirief, und einen Augenblick später sah er sich einem Hausmädchen gegenüber, von gesetztem Alter und zu guten Formen, um sich wie eine Theatersoubrette zu kleiden.
    Der Advokat nannte seinen Namen, und das Kammermädchen bat ihn, in dem mit unaufdringlichem Luxus ausgestatteten Speisezimmer zu warten. Fast unmittelbar darauf kam es wieder zurück und meldete ihn, indem es ihn in den zierlichsten und üppigst ausgestatteten Salon führte, der in den niedrigen Räumen eines Zwischengeschosses eingerichtet werden kann.
    Die Gottheit des Hauses saß vor einem Tisch mit einer Decke, die ein venetianisches Muster zeigte, in dem sich das Gold mit den leuchtenden Farben einer zarten Stickerei mischte. Als der Advokat hereintrat, begrüßte ihn die Gräfin, ohne aufzustehen und sagte, während die Kammerfrau ihm einen Sessel hinschob:
    »Gestatten Sie mir, mein Herr, daß ich erst einen eiligen Brief schließe?«
    Der Advokat verneigte sich zum Zeichen des Einverständnisses; die schöne Fremde nahm von einem Schreibpult, einem Boullemöbel mit eingelegter Schildpattarbeit, ein Blatt hellblauen englischen Papiers und steckte es in den Briefumschlag; nachdem sie die Adresse geschrieben hatte, erhob sie sich, um zu klingeln.
    Sogleich erschien die Kammerfrau und zündete eine Weingeistlampe an, die in ein kleines, mit reizenden Skulpturen geschmücktes Gehäuse eingelassen war; über der Lampe war ein vergoldetes Gestell angebracht, auf dem ein Stück wohlriechenden Siegelwachses lag; sobald die Flamme das Wachs flüssig gemacht hatte, ließ es die Kammerfrau auf den Umschlag herabtropfen und reichte ihrer Herrin das mit einem Wappen versehene Petschaft. Diese drückte es mit ihrer schönen Hand darauf und sagte:
    »Lassen Sie es unverzüglich an die Adresse bringen.«
    Die Kammerfrau machte eine Bewegung, um den Brief in Empfang zu nehmen, aber aus Unachtsamkeit oder infolge der Eile fiel der Brief vor la Peyrade zu Boden, der sich schnell bückte, um ihn aufzuheben und dabei unwillkürlich die Aufschrift las. Sie lautete: »An Seine Exzellenz, den Herrn Minister des Auswärtigen«. Und das bezeichnende Wort: »Persönlich« oben in einer Ecke gab der Botschaft den Charakter der Intimität.
    »Verzeihen Sie!« sagte die Gräfin und nahm dem Advokaten den Brief ab, den er taktvollerweise, um seinen Eifer zu bezeigen, der Hausherrin überreichte. Zugleich sagte die schöne Fremde in strengem Tone zu der ungeschickten Kammerfrau: »Geben Sie sich Mühe, ihn nicht noch einmal zu verlieren.« Als diese sich entfernt hatte, verließ die Ungarin ihren Sitz vor dem Schreibtische und setzte sich auf ein mit perlgrauem Atlas bezogenes Sofa.
    Während dieser Vorgänge hatte la Peyrade sich dem Genusse der prächtigen Gegenstände um ihn her hingeben können. Bilder von Meisterhand hoben sich

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